von Bonita B.
Es war das Wochenende vor dem ersten Lockdown. Meine Nachbarin und ich trafen uns wie fast jeden Abend am Zaum, um noch gemeinsam eine zu rauchen und zu quatschen. Natürlich war das Thema Corona unumgänglich. In den Nachrichten wurde bereits angekündigt, dass es wahrscheinlich zu Schließungen kommen würde. Eigentlich hatten wir beide den Plan, nach unserem Plausch am Zaun einen entspannten Abend auf der Couch zu verbringen. Plötzlich kam ihr der Gedanke “Was, wenn das heute der letzte Abend für die nächsten Wochen ist, wo man noch feiern gehen kann?”. Im Nachhinein eine witzige Überlegung, da die Clubs nun schon über ein Jahr geschlossen sind. Aber Caro hatte nicht ganz unrecht. Auch wenn es mit unserem jetzigen Wissensstand etwas naiv war, verabredeten wir uns für wenig später am Auto. Ich befreite mich von meiner Jogginghose, zog mir ein heißes Outfit an und legte etwas Make-up auf. Wie besprochen, trafen wir uns am Auto. Sie legte gute Musik auf und wir kamen langsam in Feier-Stimmung. Aber es war anders als sonst. Wir sprachen nicht darüber aber spürten beide, dass dies ein besonderer Abend werden würde. Bevor wir in den Club gingen, wollten wir uns ein paar Drinks in meiner Lieblingsbar gönnen. Wir betraten den vertrauten Raum. Die Musik war lauter als sonst, das Team euphorischer und die Drinks stärker. Caro und ich saßen an der Bar, schäkerten mit den Jungs und gönnten uns einen Drink nach dem anderen. Neben den von uns bestellten Getränken stellte der Barchef uns immer wieder irgendwelche Cocktails zum Probieren vor die Nase. Er hatte richtig gute Laune an diesem Abend. Und mit dem steigenden Alkoholpegel sanken die Hemmungen. Das Lokal war nicht so voll wie sonst, dadurch herrschte eine fast intime Atmosphäre. Ich fing an, mich auf dem Barhocker rhythmisch zur Musik zu bewegen und auch das Bar-Team fing an, neben den Cocktailmixern auch ihre Körper zu shaken. Plötzlich hörte ich diesen lateinamerikanischen Song, den ich so liebte! Nichts konnte mich nun noch auf diesem Hocker halten! Ich stand auf und fing an zu tanzen. Das Bar-Team und die wenigen anderen Besucher fingen an, im Takt mitzuklatschen. Die Musik wurde lauter. Eigentlich mag ich es nicht so beäugt zu werden, doch in diesem Moment war mir alles egal. Ich wollte einfach nur tanzen. Und das tat ich, als wäre ich in meinem Wohnzimmer. Meine Hände zeichneten den Rhythmus in die warme, nach Limetten riechende Barluft. Meine Hüften schwangen nach links und rechts, als wenn ich nie etwas anderen getan hätte. Freudentränen ließen meine Augen funkeln. Ich war total in meinem Element, spürte jeden einzelnen Beat in allen Zellen meines Körpers. Die Atmosphäre war einzigartig. Langsam bewegten sich immer mehr Leute auf dem kleinen Raum zwischen den Barhockern – betrunken vor Glück und Karims Spirituosen-Kreationen. Es war vorerst der letzte Tanz in Freiheit – wir alle spürten es.
Den Clubbesuch sparten wir uns.
© Bonita B. 2021-03-24