Ich empfinde es eigentlich als schlimm, wenn ein junger Mensch wie ich von “Früher” erzählt. Aber meine Kindheitstage sind nun doch schon ein paar Jahre her und daher muss ich jetzt eben von Früher sprechen, wenn ich die Geschichte des liebsten Krampus überhaupt erzähle.
Ja damals war es Brauch, dass wir uns am Nikolotag bei den Stiefeltern meines Freundes trafen. Diese leben noch heute in einem Schloss und dahin kam früher immer der Nikolaus mit seinem dunklen Anhang. Ich könnte nicht behaupten, dass ich mich auf diesen Besuch immer sonderlich gefreut habe. Denn als kleiner Bub war ich eine ziemliche Grätzn und der alte Mann mit seinem Rauschebart hatte meine Schandtat scheinbar minutiös in seinem dicken Buch stehen. Glücklicherweise waren meine Freunde nicht sonderlich braver, weswegen wir uns das Gefühl einer randvollen Hose teilten. Also Augen zu und durch. Der Nikolaus liest, die Krampusgang knurrt und scheppert mit den Glocken, während wir vor Angst schlottern.
Aber unter den vielen finsteren Recken steht ein Krampus, der so gar nicht böse aussieht. Himmelhoch, nur weißes Fell mit kleinen schwarzen Guggerlaugen und einer kurzen roten Zunge. Wie ein liebes großes Hunderl. Ich weiß ganz genau, dass er zur Stelle sein wird, sollte einer seiner dunklen Kumpane deppert werden. Das beruhigt ein wenig.
Und irgendwann ist das Schauspiel auch vorbei und die gerade noch furchterregenden Monster sind plötzlich so gar nicht mehr furchtbar. Maskenlos sitzen sie im großen Saal und man erkennt die bekannten Gesichter der Männer aus dem Dorf. Die Gastgeber kommen mit dem Leergut nicht mehr nach, was die Fellviecher erzeugen, weswegen der Herr des Hauses kurzerhand 2 Kisten Bier in ihre Mitte stellt und sagt: “Da habt’s. Bei eich wirds sowieso ned warm.”
Grölen und Glockenscheppern lassen das alte Gemäuer erzittern. Mit der Zeit kommt ein eigenartiger Rollentausch. Denn plötzlich sind wir Kinder diejenigen, die furchtbar und finster aussehen, mit all der Schokolade im Gesicht. Der Nikolo war trotz unserer Vergehen wieder sehr großzügig mit Naschzeug.
Schön langsam befindet sich jeder einzelne im Rausch. Wir Gschroppn von Zucker, die Erwachsenen vom Bier oder den unzähligen Häferln Tee mit Rum.
Aber irgendwann hat die größte Gaudi ihr Ende. Ein letztes Mal scheppern die Glocken, dieses Mal vom Hin und Her Schwanken der zotteligen Rauschkugeln. Bevor sie endgültig verschwinden, bitten wir unseren lieben Krampus noch einmal seine Maske aufzusetzen. Er tut uns die Freude und seine Kollegen schließen klammheimlich Wetten ab, ob er in die Maske speibt. Die Freude tut er ihnen allerdings nicht.
Dann sind der angeheiterte Nikolo und seine besoffenen Gruselgesellen weg und wir Kinder haben wieder ein Jahr Zeit um viele Dinge zu machen, vor denen uns in einem wieder gehörig der Arsch gehen wird.
Hach ja. Früher war vielleicht nicht alles besser. Aber sicher lustiger.
© Florian Hauenschild 2020-11-30