von Julia Bisping
Es war ein flirrender Sommertag. Die Bienen surrten in unablässigen Bemühungen um die prachtvollen Blüten, dunkelgrünen Kräuter und Gräser, als würde ihr Leben davon abhängen. Die Sonne stand gleißend am wolkenlosen Himmel und strahlte auf das alte Haus mit den schiefen, vermoosten Dachziegeln herab. Es wirkte wie eine Insel in dem wildgewachsenen Garten, der so verzweigt und verwuchert war, dass man seinen Anfang und sein Ende kaum erahnen konnte.
Ellie wischte sich den Schweiß von der Stirn, als sie den Garten betrachtete. Sie stand schon eine ganze Weile in der Terrassentür und schaute nach draußen in die unablässige Hitze. Der Duft der Blüten war so penetrant süßlich, dass ihr fast übel wurde, als sie tief Luft holte. Das sollte es also sein? Das hier war ihr neues Zuhause? Sie ließ ihren Blick über die vertrockneten Sträucher und die braunen Stellen im Gras wandern. Missmutig stieß sie die Luft aus. Der Garten war ein einziges Chaos. Ein Wirrwarr aus Ästen, Büschen, knorrigen Bäumen und verfaultem Obst, das niemand den ganzen Sommer über geerntet hatte. Alles war anders hier, alles war fremd.
Von drinnen hörte Ellie die aufgeregte Stimme ihrer Mutter, die die letzten Vorbereitungen für ihren Umzug mit dem Vermieter besprach. Sie fand das alles hier entzückend, romantisch, verschroben und originell. Wie oft sie in letzter Zeit betont hatte, dass ihnen ein Tapetenwechsel guttun würde, dass die Landluft eine so heilsame Wirkung hätte. Doch Ellie konnte nur an zwei Sachen denken: Erstens roch diese heilsame Luft ab und zu nach einer Prise Kuhmist, was eine merkwürdige Mischung mit dem süßlichen Duft der Blumen ergab, und zweitens würde sie ihre Freunde furchtbar vermissen.
Wenn sie an ihre Freunde, an ihr Zimmer und an die Straße in der Stadt dachte, in der sie aufgewachsen war und sich so gut auskannte, dass sie jeden Weg auch blind hätte gehen können, bekam sie einen dicken Kloß im Hals. Ellie biss sich auf die Lippe, um die Tränen zurückzudrängen, die immer öfter hervorkamen, je näher der Umzug rückte. »Ellie, komm doch mal rein!« Die fröhliche Stimme ihrer Mutter unterbrach ihre traurigen Gedanken. Ellie drehte sich um, wischte noch einmal mit dem Pulloverärmel über ihre Augen und trat zurück ins Wohnzimmer. Ihre Mutter stand gemeinsam mit Herrn Rose, dem Vermieter, vor dem voluminösen Kamin, der groß und breit den Hauptteil der außenliegenden Wand einnahm. Keiner der beiden schaute auf, als sie die Terrassentür schloss und sich neben sie stellte. Niemand bemerkte ihre rotfleckigen Wangen.
© Julia Bisping 2025-05-13