von Anatolie
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âDass einem so etwas hier passiert ist undenkbarâ, lieĂ er sich ĂŒber die KĂ€lte der Menschen hierzulande aus. Er war in Deutschland geboren und aufgewachsen, und was er da, in Ăsterreich, an Unfreundlichkeit gegenĂŒber Zugereisten erlebe, hĂ€tte er an keinem anderen Ort der Welt je gesehen â und er hatte viele LĂ€nder bereist! Im Grunde wollte er so rasch wie möglich wieder von hier fort. âWas machen Sie hier eigentlich fĂŒr einen Job?â, warf er ein, und ich erklĂ€rte, ich sei lediglich âdie Dame, die telefoniertâ. Und weil ich schon sehr ĂŒber der Zeit war, meinte ich recht freundlich, ob es ihm etwas ausmachen wĂŒrde, wenn ich langsam wieder an meine Arbeit ginge âDenn fĂŒrs Telefonieren werde ich hier bezahltâ. Es musste sein, denn die Zahl meiner Anrufe wird genau registriert. Irgendwie schade, denn ich hĂ€tte mich ganz gern noch weiter mit ihm unterhalten! âIch wĂŒnsche Ihnen noch einen schönen identitĂ€tszerstörenden Vormittagâ verabschiedete sich der Herr mit einem breiten Grinsen. âWie meinen Sie dasâ? âNa, es ist ja nicht natĂŒrlich, dass der Mensch wie eine Aufziehpuppe tĂ€glich in die Arbeit gehtâ.
Ich musste dem wunderlichen Typen irgendwie recht geben. âAber was sollen wir tun â wir sind ja alle eingebunden in dieses Systemâ. Nun, der eine mehr, der andere weniger. Er hatte DIESES Problem vielleicht nicht so oder nicht mehr. Aber Schwierigkeiten mit der zwischenmenschlichen Integration.
Als ich noch ĂŒber das GesprĂ€ch nach sinnierte, wĂ€hrend er schon lĂ€ngst gegangen war, fiel es mir wie Schuppen von den Augen, und ich schĂ€mte mich ein bisschen fĂŒr meine Unachtsamkeit. Denn ich hatte ihm ja nicht mal einen Kaffee angeboten âŠ
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© Anatolie 2023-12-21