Der Mann und das Mädchen

Eines Tages setzt sich das Mädchen neben den Mann auf den Steg und lässt die Beine baumeln. Der Mann lächelt ein bisschen breiter, doch seine Augen bleiben auf das Meer gerichtet. Er will sie nicht erschrecken.

„Hallo“, sagt der Mann

„Hallo“, erwidert das Mädchen leise. So lange hat es nicht mehr gesprochen, dass es kaum noch wusste, wie seine eigene Stimme klang. Hoch und etwas zittrig. Ungewohnt.

Dann schwiegen sie beide. Es war eine angenehme Stille. Beide waren nun nicht mehr allein in der Welt, die sie nicht verstand. Sie hatten nun einander. Eines Tages sagte der Mann.

„Warum fragst du nicht einfach?“

Das Mädchen blickte ihn erstaunt an.

„Meine Fragen sind zu groß für kleine Mädchen“, wiederholte es, was es bisher gelernt hatte.

Der alte Mann drehte sich zu ihr um. Seine jungen Augen funkelten vergnügt.

„Das sagen sie nur, weil sie selbst nicht weiterwissen“

Das Mädchen überlegte.

„Aber wenn niemand die Antwort kennt, warum soll ich dann die Fragen stellen?“

Der Mann schwieg. Zum ersten Mal scheint sich eine leichte Traurigkeit in seine Augen zu legen.

„Die Antwort kann man immer finden. Man muss nur lernen, zuzuhören und versuchen zu verstehen“

Das Mädchen hob den Blick zu den freundlichen Augen.

„Das habe ich gemacht. Ich habe zugehört und versucht zu verstehen. Aber Antworten habe ich keine gefunden.“

„Du hast eines dabei vergessen, Kleines“ Seine Stimme war warm und zärtlich.

„Was?“, fragte das Mädchen mit den tausend Gedanken.

„Du hast vergessen, die Welt mit den Augen eines Kindes zu betrachten. Nur wer die Wunder der Welt erkennt, kann die großen Fragen des Lebens beantworten.“

Das Mädchen überlegte.

„Zeigst du mir das?“

„Natürlich. Es ist ganz leicht“

Die Sonne senkte sich langsam zum Horizont und tauchte die Welt in ein warmes oranges Licht. Am Steg saß das Mädchen mit den tausend Gedanken und betrachtete die Welt mit den Augen eines Kindes, wie sie es von dem Mann mit den jungen Augen gelernt hatte.