„Heute gehn ma aus. Ich will meinen Marktwert checken.“, sagt meine Freundin am Telefon zu mir. Na gut, denke ich mir. Das letzte Mal, dass ich aus war ist schon eineinhalb Jahre her. Und, ganz ehrlich, ab und zu tut es schon gut, wenn man ein bissl angeflirtet wird. Deshalb freu ich mich auf heute Abend. Auf das Marktwert checken. Ein bisserl Blickkontakt hier, ein bisserl anlächeln dort, und sich vielleicht auch nett unterhalten. Natürlich unter Einhaltung aller Spielregeln, ich hab ja einen Partner.
Im Pub angekommen, holen wir uns Bier, setzen uns auf einen Barhocker und ich lasse meinen Blick durch den Raum schweifen. Da steht einer da wie vom Blitz getroffen, völlig erstarrt und glotzt mich mit aufgerissenen Augen an. „Nicht gerade unauffällig“, denke ich mir. Sein Blick geht von meinem Gesicht meinen Körper runter bis zu den Schuhen und dann wieder langsam nach oben, wobei seine Augen längere Zeit am oberen Drittel meines Oberkörpers hängen bleiben. Plötzlich setzt er sich in Bewegung und steuert direkt auf mich zu. „Hi.“, sagt er. „Hi.“, sag ich auch und warte, was da noch kommt. „Du hast schöne Augen.“, sagt er und haucht mir dabei seine Alkoholfahne ins Gesicht. Ich bin unschlüssig, ob ich von so viel Einfallslosigkeit belustigt oder entsetzt sein soll. Wenn man seinen Blicken folgt, sind es definitiv auch nicht meine Augen, die seine Aufmerksamkeit genießen. „Willst du was trinken?“, fragt der Kerl und ich habe das Gefühl, allein von seinem Atem betrunken zu werden. „Nein, danke, ich bin mit meiner Freundin hier.“, sage ich. Einfallslos kann ich nämlich auch.
Als ich später an der Bar stehe und noch ein Bier bestelle, kneift mich plötzlich etwas in den Arsch. Ich dreh mich um und da steht einer und grinst mich frech an. „Geiler Arsch. Trink ma was?“, fragt er. Weil ich mir nicht sicher bin, ob ich ihn ohrfeigen oder anschnauzen soll oder beides, tue ich gar nichts von beidem und schüttle nur den Kopf, bevor ich mit meinen zwei Bier wieder zum Tisch zu meiner Freundin zurückgehe.
Beim dritten Bier flirte ich dann, so wie ich das früher gemacht hab. Hinschauen, wegschauen, lächeln und so. „Netter Kerl“, denk ich mir. Dann kommt er zu uns an den Tisch. Er beugt sich vor, um mir folgendes ins Ohr zu sagen: „Hey, du gefällst mir. Wie schaut´s aus mit uns zwei? Sollen wir gehen? Ich wohn nicht weit weg in einem Hotel.“. Und sofort find ich ihn nimmer nett. Wieder bin ich so baff, dass ich nur fassungslos den Kopf schütteln kann. Er zuckt mit den Schultern und geht wieder weg.
Auf der Tanzfläche stelle ich, noch ein Bier später, fest, dass es kaum möglich ist zu tanzen, ohne ständig irgendwelche fremden Hände am Arsch, auf meinem Busen oder – noch besser – zwischen meinen Beinen zu haben, weshalb ich das mit dem Tanzen bald wieder lasse.
Zu Hause angekommen, beschließe ich, nie wieder meinen Marktwert checken zu wollen. Ich liege im Bett und werfe einen Blick auf die schlafende Silhouette meines Freundes. „Danke, dass ich dich habe.“, denke ich mir.
© Melly Schaffenrath 2020-04-10