von Isabel Jahn
Feierabend! Ich hole die Kleine aus der Kita ab. Im Auto erzählt sie mir von einer Maus.
“Ihr habt wohl heute mit den Kindern aus der Mäuschengruppe gespielt?”, frage ich sie. “Nein, die Maus war in einem Loch.” Ich werde neugierig: „Habt ihr etwa eine Maus in der Kita?“ Ganz selbstverständlich antwortet sie mit „Ja!“
Da man einer 2,5 -jährigen alles einzeln aus der Nase ziehen muss, frage ich weiter nach. „Wo war denn die Maus?“
“Im Garten“, antwortet sie knapp. „Aha! Ihr habt also im Garten ein Loch und da sitzt eine Maus drin?“, fasse ich nochmal zusammen. Sie bestätigt mir dies mit einem einfachen „Ja”. Ich denke, dass ich jetzt alle Infos habe und belasse es dabei.
Am Abend liegen wir zusammen im Bett. Ich lese ihr noch eine Geschichte vor und lasse den Tag Revue passieren. Dabei fasse ich zusammen, was wir nach der Kita unternommen haben und frage sie nochmal, wie ihr Tag war. Sie erzählt mir, dass sie von einer Maus gebissen wurde. Ich werde hellhörig und bitte sie, mir zu zeigen, wo sie gebissen wurde. Sie zeigt auf ihren Finger. Ich sehe nichts, was ausschaut wie ein Mäusebiss. „Dein Finger schaut gut aus. Hast du vielleicht geträumt, dass du von einer Maus gebissen wurdest?“ Sie grinst und antwortet spaßig mit einem langen betonten: „Neeeiiiin!“ Dann sagt sie: „Die Lisa.“ Das ist ihre Erzieherin. Als ob damit alles klar wäre. „Die Lisa wurde von einer Maus gebissen?“, hake ich nach. Dann beginnt sie, für ihre Verhältnisse, ein ausgedehntes Gespräch mit mir und berichtet mir von der Maus, dem Loch im Garten und der armen Lisa, die bedauerlicherweise von einer Maus gebissen wurde. Sie wird ganz ernst und ein bisschen traurig, sodass ich mir tatsächlich Sorgen um Lisa mache. Laut meiner Tochter musste sie aber nicht zum Arzt. Sie hat ein Pflaster bekommen und durfte weiter arbeiten.
Die Geschichte geht mir nicht aus dem Kopf. Am nächsten Morgen sehe ich Lisa bei der Übergabe und frage, ob sie tatsächlich von einer Maus gebissen wurde. Sie schaut verwundert und überlegt kurz. Dann lacht sie.
Nun die Auflösung und wahre Geschichte:
In Wirklichkeit hatte Lisa eine Hose an, in der sich ein Loch befand. Die Kinder interessierten sich sehr dafür und haben gefragt, wie das Loch in die Hose gekommen ist. Lisa hat im Spaß erklärt, dass wohl eine Maus das Loch reingefressen haben muss. Die ganze Story spielte sich ab, während sie mit den Kindern im Garten gespielt hat.
So haben wir alle Elemente wie Maus, Loch und Biss wieder zusammen. Aber jeweils ganz unterschiedliche Geschichte dahinter.
© Isabel Jahn 2021-02-22