Die Sonne scheint mir ins Gesicht, ich hasse sie. Ich drehe mich um, das Holzgestell unter mir knarzt. Sie ist weg, ich liege alleine im Bett. „Fuck“, mehr bekomme ich nicht über die trockenen Lippen. Ich hasse Menschen, wenn man sich nicht sofort kümmert, muss man sie später einfangen. Ich habe keine Zeit zu verlieren, muss sie finden. Seitdem die Städte größer geworden sind, kann das ein Problem sein.
Der Boden unter meinen Füßen ist kalt. Ich werfe mir das einst schöne Hemd über, für das ich einem italienischen Kaufmann vor langer Zeit ein Vermögen gezahlt habe, mehr als manch einer von ihnen im ganzen Leben besitzen wird. Heute ist es das nicht mehr wert.
Ich kann ihren Geruch zwar noch wahrnehmen, aber vielleicht liegt das nur daran, dass sie lange im Raum war. Ob ich sie bei all den anderen Menschen aufspüren kann, ist eine andere Frage. Wenigstens haben sie das Problem mit den Ratten in den Griff bekommen.
Ich stehe vor dem Haus, ein angeketteter Hund schaut mich an. Ob er sie auch riechen kann? Schweiß, Kot, manch ein aphrodisierender Duft, den eine betuchte Dame trägt, dazu noch all die anderen, nicht menschlichen Gerüchte der Straße. Die Wege und Gassen sind beinahe überflutet. Ich kann sie dennoch entdecken, sie geht in eine Nebenstraße, sehr gut.
„Zur Hinrichtung geht’s da lang“, schreit mir ein glatzköpfiger Mann in Robe nach, ein Priester. Wüsste er nur, was ich bin. Ich weiß, was er ist. Hätte ich bloß Zeit für ihn; all die Gräueltaten, die er und seine Brüder im Namen und unter dem Deckmantel höherer Macht vollbracht haben. „Beten Sie lieber für die armen Seelen, Pater“ „Arm waren die Seelen nicht“ „Sollten Sie sich nicht dennoch um ihr Heil sorgen?“ Darauf hat er keine Antwort. Er hält diese ‚Revolution‘ für etwas Besonderes, ich habe zu viele Aufstände gesehen, um das zu glauben.
Sie erkennt mich sofort, als ich in die Gasse biege, und scheint entzückt. „Oh, ich hatte nicht erwartet, sie so schnell wiederzusehen.“ Ihr erfreuter Gesichtsausdruck wird verschwinden. „Ich hätte gedacht, dich nie wieder zu sehen.“ Irgendetwas, vielleicht eine Art Überlebensinstinkt lässt sie loslaufen, als wüsste sie was gleich geschieht. Zu ihrem Leid bin ich schneller, erreiche sie in wenigen Momenten, schleudere sie durch die Luft. Sie ist schneller wieder auf den Beinen, als ich vermutet habe. „Was bist du? Hilfe!“ Niemand hört sie „Ganz ruhig, du wirst nicht entrinnen können.“
Ich deute auf ihren Unterleib. „Ich kann dich nicht gehen lassen, was auch immer daraus wird, vielleicht wird es dich eh töten, aber ich kann es nicht riskieren.“ Unglauben macht sich in ihrem Gesicht breit. Ich packe sie an der Kehle, hebe sie hoch und schaue ihr ein letztes Mal ins Gesicht. Die Sonne scheint daran vorbei, mir ins Gesicht, dann knackt ihr Genick, ihr Kopf fällt zur Seite und blockiert damit die Sonne. Ich werfe ihren schlaffen Körper beiseite.
Für sie ist es die Hölle, für mich nicht, ich konnte ihr vor langer Zeit entfliehen, für mich ist es das Paradies.
© Maximilian Besler 2022-08-31