von Julia Oswald
Ich möchte euch mit in meine Welt nehmen, eine Welt hinter verschlossenen Türen, eine Welt, in der ich mich seit 7 Monaten befinde.
Begleitet mich einen Tag in der geschlossenen Psychiatrie
7:50Uhr „Julia aufstehen“ ruft ein Pfleger. Ich öffne die Augen und weiß, ein neuer Tag und Kampf beginnt. Ich raffe mich auf und mein erster Gang ist direkt in das Raucherzimmer, ich drehe mir eine Zigarette, zünde sie am Anzünder, der an der Wand hängt, an. Feuerzeuge sind streng verboten, es könnte ja jemand einen Brand stiften. Während ich so dasitze, betrachte ich den Raum, die Wände sind vergilbt und voller Schmierereien der Patienten, die Luft ist stickig und es riecht nach kaltem Rauch, aber das stört mich schon lange nicht mehr.
8:00Uhr wir Patienten versammeln uns im Aufenthaltsraum für die Morgenrunde, die findet unter der Woche jeden Tag statt. Der Pfleger stellt das heutige Therapieangebot vor: Einkauf bei Rewe, Gartengang, Ergotherapie und Entspannungsgruppe. Ich melde mich für alles, schließlich hab ich ja sonst nichts zu tun. Als die Morgenrunde beendet ist, schnappe ich mir meine Wasserflasche und mache mich auf den Weg zum Pflegebüro. Ich muss meine Medikamente nehmen, die sollen mir helfen, glücklicher, entspannter und ausgeglichener zu sein. Viermal am Tag mache ich diesen Gang zur Medikamenteneinnahme, es ist zu einem festen Bestandteil meines Tages geworden. Im Anschluss begebe ich mich ins Bad, ziehe mich schnell um, putze mir die Zähne, wasche mein Gesicht und binde meine Haare zu einem lockeren Zopf.
8:30Uhr Ich sitze auf meinem Bett und stricke an meinem Cardigan, was Spaß macht, schließlich durfte ich lange Zeit keine Wolle oder gar Stricknadeln haben, alles zu gefährlich, ich musste geschützt werden. Geschützt vor mir selbst, ich bin nämlich Bordberlinerin und verletze mich oft selbst.
10:00Uhr heute ist Montag das heißt Oberarzt Visite findet statt. Ich betrete den Raum, in dem circa zehn Menschen sitzen und alle schauen mich an, ich hasse dieses Gefühl. Der Oberarzt begrüßt mich, ich nehme Platz und er fragt: „Wie geht es ihnen, was gibt es Neues?” Ich antwortete ihm, dass es mir schwerfällt, im Moment nichts Dummes zu machen, aber dass ich mich bereit für die offene Station fühle. 5 Minuten später hab ich die Prozedur hinter mir, mit der Entscheidung das ich noch diese Woche auf die offene Station wechseln darf. Ich freue mich darüber und gleichzeitig ist die Angst davor vor dem Scheitern und der Verantwortung für mich selbst, die ich wieder anfangen muss, zu tragen riesig. Zum Glück hab ich nicht viel Zeit, darüber nachzudenken, da wir uns um 10:30 auf den Weg zum Einkaufen machen. Beim Rewe kaufe ich mir ein paar Kleinigkeiten und, worauf ich mich schon gefreut habe, einen Energydrink, den wir auf Station nämlich nicht trinken dürfen. Und so sitzen wir (zwei Pfleger, ein Mitpatient und ich) noch ein bisschen im Café, rauchen und trinken unsere Getränke, bevor wir uns wieder auf den Weg zurück zur Klinik machen.
12:00 Die anderen Patienten und ich versammeln sich im Speisesaal für das Mittagessen. Ich bekomme mein Essenstablett in die Hand gedrückt und verschwinde in meinem Zimmer, ich esse lieber allein.
In der nächsten Story geht es weiter :)
© Julia Oswald 2025-06-16