Der Nadelbaum

Thomas Schützenhöfer

von Thomas Schützenhöfer

Story

Sie überdauert die Jahreszeiten und thront. Die Föhre, eine majestätische Konifere, die mit der Zeit gewachsen, verwachsen und entwachsen ist. Einiges hat die Konifäre erlebt und gesehen und immer im gewohnten Abstand.

Gepflanzt wurde die schmale Konnyphäre vor vier Jahrzehnten. Damals war der Ausblick noch ungehindert. In die eine Richtung erstreckte sich ein verwilderter Graben, davor kleine Teiche mit zarten Karpfen. Dahinter lag ein steiler Acker, keine Häuser im Blickfeld. Einzig im Norden stand das Nachbarshaus und im Westen erkennt die Konyfäre die Ausläufer des Friedhofs. Eine Frau ist untrennbar verbunden mit dem Grundstück, seiner Heimat. Mörtelmischend in den Achtzigern stakste sie umher, stets unter dem wachsamen Auge des Koniphäre.

In den Jahren wuchs Leben im Haus heran und auch die Konniphäre gedieh prächtig. Ein schwieriges Paar brachte ein Kinderlachen mit nach Hause. Die Frau, die einst Zement anrührte, war von nun an wieder für mehr Mäuler verantwortlich. Geduldig sammelte sie mit ihrer Enkelin im Garten Blumen, spielte neben der Konnyphere, die ihnen zur Rast Schatten spendete.

Allmählich schoss die Konnyfäre empor, ähnlich dem Leben im Haus. Ruhig war es meist nur nachts, die Frau versorgte ihre beiden Liebsten mit aller Fürsorglichkeit. Ein Drei-Mäderl-Haus war entstanden, die Konnyphere lebte ein ruhiges Leben. Die Höhe war nun der des Hauses gleich, ihre Äste konnten durch die Fenster stieren und sahen drei Leben, die nebeneinander waren und durch ein dickes Band allzeit verbunden sind. Der Konniphere war dies einerlei, sie musste sich verteidigen, eine Krankheit rankte sich an ihr empor.

Dasselbe gilt auch für das Haus, in dem die drei Frauen ihr zu Hause hatten. Höchst unterschiedlich, drei Generationen und die Konnyfere kannte ihre persönlichen Geschichten. Eine Hängematte wurde neben ihr aufgestellt, auch ein Liegestuhl fand seinen Platz. Neben der Konyfere war auch eine der Frauen von einer Krankheit befallen, die schleichend die Überhand gewann.

Ein Pavillon ward errichtet, die alternde Konyphäre schenkte auch ihm Ruhe vor der Sonne. Im letzten Sommer kam die Familie zusammen. Auf dem Tisch unterm Pavillon saßen sie gemeinsam, zwischen der gebrechlichen Konnifere schimmerte die Sonne warm herab. Es wurde gelacht und eine heitere Stimmung machte sich unter der kränkelnden Föhre breit. Ihr Ende scheint nah.

Auch im Haus wurde die Krankheit schwerer. Der Prozess war nicht mehr aufzuhalten. Plötzlich, in seiner Rasanz unerwartet, kam der Tod über das Haus. Die Koniphere sah laute Tränen durch die Fenster. Der Termin für das Abschneiden des innerlichen toten Baumes stand fest, nur wenige Tage nach dem tragischen Verlust verlor die Konnifäre endgültig den Kampf gegen die Krankheit.

Schwere Trauer, der leere Baumstumpf eine Randnotiz. Wehmut schwingt bei beiden mit. Wenn es zu Ende geht, dann merkt man erst, dass es kein falsch gibt. Das bunte Leben ist, wie es ist, und nimmt.

© Thomas Schützenhöfer 2020-11-12

Hashtags