von Bärli
wie oft werde ich von meinen ehemaligen Landsleuten gefragt, wie ich es denn nur aushalte – da unten im Osten. Geübt antworte ich, dass mir nichts abgeht, dass ich mich hier sehr wohl fühle, dass die Vielfalt der landschaftlichen Angebote schätzen gelernt habe, vom Schneeberg bis zum Neusiedlersee. Und auch nicht unwesentlich, dass ich beruflich hier im Großraum Wien unvergleichlich bessere Auswahlmöglichkeiten finde, als im Tiroler Wirtschaftsumfeld.
Wenn ich das alles so sage, meine ich es auch wirklich immer so.
Doch dann gibt es diese Tage hier im Wr. Neustädter Becken, da verstehe ich selber nicht, warum ich hier leben will. Diese Tage sind im Herbst, so wie gerade heute…da ist eigentlich auf der Wetter-App ein durchschnittlich gutes Wetter vorausgesagt, regenfrei und gar nicht sehr kalt, doch was so scheinbar gesteuert komplett untergeht, ist dieser feuchte, kalte Nebel, der alles umhüllt und einfach nicht weggehen will.
Dieser Nebel, der Dich zwingt, am hellichten Tag das Licht im Haus einzuschalten, der Dich schaudern lässt, überhaupt das Haus zu verlassen. Der Dir schwer auf der Seele drückt, der Dir irgendwie die Freude nimmt.
Der/die Niederösterreicher_in hat dieses Wetterphänomen offensichtlich bereits in die Seele integriert, dieser oft tagelange Entzug der Sonne und des Weitblicks scheint den Einheimischen nicht zu fehlen.
Mir als Binnenmigrant raubt es förmlich den Tag. Jeder Blick aus dem Fenster nimmt mir jegliche Motivation, am liebsten würd ich mich wieder ins Bett legen, die Decke über den Kopf ziehen und abwarten, bis das Leben wieder weiter geht.
In Anbetracht der Dauer dieser Nebenperioden hier im Osten ist dies aber keine valide Strategie. Also versuch ich so wie die Eingeborenen einfach so zu tun, als ob nichts wäre. Ein netter Versuch, aber leider gelingt mir das nicht…
Und eine Flucht aus dem Elend ist ob der Topografie auch nicht kleinräumig möglich.
Mir fröstelt, nie ist mir am Berg so kalt gewesen, wie hier im Osten bei feuchtem Nebel und leichtem Wind…das geht durch Mark und Bein.
Fern ist mir die Einstellung der Eingeborenen, die diese Tage als wohlig und eingehüllt beschreiben, die sich freuen über die Zeit der Ruhe und des In-Sich-Hörens.
An Tagen wie diesen verstehe ich die Frage meiner Landsleute. An Tagen wie diesen denke ich zurück an meine Kindheit, die ich glücklich und ohne Nebel verbringen durfte. An Tagen wie diesen keimt die Sehnsucht auf, diese Zeit des Jahres einfach an einem anderen Ort zu verbringen, in den Bergen über dem Nebel, oder am Meer im Süden.
Aber dann, wie schon viele Jahre zuvor, weicht der Nebel im November/Dezember der Kälte im Jänner/Februar und der Blick auf die nun blattfreien Hügel und Wälder wird freigegeben, frei gegeben für ausgedehnte Spaziergänge in die sanfte Landschaft, mit Blick bis zum Neusiedler See, alles überragend wird der Schneeberg seinem Namen gerecht und wieder einmal werde ich die furchtbare Zeit des Nebels vergessen haben.
© Bärli 2019-11-25