von Sonja Ezold
Das Kind begann eine Melodie zu summen, dankbar für die Ablenkung begann die Mutter dazu zu singen. Nach einer ganzen Weile, die Wolle hatte Silvie zu Knäueln gewickelt, befand die Mutter, dass die Stunde, in der der Vater heimkehren würde, vorüber war, sie stand auf trat zu dem Mädchen legte ihre Hand auf dessen blonden Schopf und bedeutete ihr das es jetzt Zeit war, ins Bett zu gehen. Silvie hatte sich mit ihren Bauklötzen ein Reich geschaffen, nach dem ihre Arbeit erledigt war, durfte sie spielen. Nun bedauerte sie, dieses fabelhafte Werk zerstören zu müssen, die Mutter bestand auf Ordnung in der Wohnstube, und so räumte sie Stein um Stein wieder in die Truhe, ihr Königreich war verschwunden. Sie klappte den Deckel der Truhe zu und begab sich in das Nebenzimmer, dort befand sich ihr Bett. Sie hatte gerade entschieden, dass sie von ihrem Reich träumen würde. Sie kleidete sich aus, zog ihr Nachtgewand über und schlüpfte unter die dicke Daunendecke. Die Mutter brachte ihr noch einen heißen, in ein Tuch gewickelten Stein ins Bett, damit sie nicht so fror. Diese setzte sich noch einmal auf die Bettkante, strich dem Kinde übers Köpfchen und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Silvie kuschelte sich tief in die Bettdecke, die Mutter erhob sich und verließ den Raum, nicht aber ohne sich am Türrahmen noch mal umzudrehen und ihrer Tochter süße Träume zu wünschen. Die Tür ließ sie einen Spalt weit auf, in manch seltenen Fällen bekam das Kindchen Angst im Dunkeln. Sie sind übereingekommen, dass dies die beste Lösung sei. Die Mutter begab sich ihrerseits, nach dem Löschen der Öllampe im Wohnraum, in ihr Gemach. Mit einem tiefen seufzten ließ sie sich auf ihre Bettkante sinken. Sie machte sich wirklich Gedanken, ob ihr Helmut wohl die Heimreise angetreten hatte. Wenn dem so wäre, so musste ihm etwas zugestoßen sein. Alles, was ihr blieb war die Hoffnung das er ein Gespür dafür hatte, das der Nebel aufzog. Sie kleidete sich ebenfalls aus und warf sich ihr Nachtgewand über. Sie legte sich ins Bett, löschte die verbliebene Öllampe und starrte im Dunkel an die Zimmerdecke. Irgendwann schließlich schlief auch sie ein, trotz der Sorge um ihren Mann.
Kapitel 2
Helmut sah hinauf in den Himmel, irgendwie hatte er ein schlechtes Gefühl, er hatte die Stadt noch nicht ganz verlassen. Vor den Stadttoren hielt er kurz, kämpfte nochmal mit sich. Er wägte ab, ob er den Wagen noch einmal komplett abladen sollte, um hier das Wetter abzuwarten, oder ob er das Risiko eingehen sollte um zu seiner Frau nach Hause zu fahren. Es lag Nebel in der Luft, jeder wusste, was das hieß. Er war ein besonnener Mann, ein kurzes Schnalzen und ein Zupfen am Zügel und schon wendete Helmut und fuhr Richtung Gasthaus zurück. Sei es drum, er wollte Frau und Kind Wiedersehen, wenn ihn der Nebelwanderer erwischte, so wäre dies nicht mehr möglich. Nachdem er beim Gasthaus angekommen war, alles verstaut hatte und das Pferd wieder im Stall stand, nahm er in der Gaststube Platz. Er bestellte sich ein Bier und schaute sich die restlichen Menschen im Schankraum an. Zumeist Leute, die ihr Tagwerk erledigt hatten und in gemütlicher Runde zusammen saßen. Der ein oder andere war ihm bekannt, er hatte sie schon beim Eintreten gegrüßt. Nun saß er in einer Ecke unweit des Kamins, aß seinen Braten und dachte an seine Frau und seine Tochter.
© Sonja Ezold 2023-06-11