Der Nektar der Engel

Das Telefon klingelt eine Minute vor Nachtmodus, und ich grummle, wer mich zu so einer unchristlichen Zeit noch belästigt. Ich hebe ab, sage überrascht: “Um die Zeit pennst du sonst schon lang. Was ist los?” “Kann nicht schlafen.”, sagt sie. “Gedanken, hm?” Sie seufzt. “Bin ich drüber weg.”, sage ich. “Ja, wahrscheinlich!”, verlacht sie mich.

“Aber hör mal, warum ich anrufe: Ich hab zu viel gekocht, wenn du Suppe willst…“ “Suppe???”, unterbreche ich sie euphorisch: “Der Nektar der Engel!” Sie lacht laut auf. “Also ja?” “Na, unbedingt! Musst du aber einfrieren bitte. Ich bin auf Dehydration.” “Ach, Scheiße! Schon wieder Koliken?” “Tja…” “Ich koche wie eine Irre, bloß um nicht nachzudenken. Ich könnte dir auch noch eine Kürbiscremesuppe machen, oder Tomatensuppe?”, bietet sie an. “Ich will mir ja nicht die Speiseröhre beizen!”, antworte ich: “Diese pampige Schlonze ist doch keine Suppe nicht! Suppe ist klar, goldgelb, mit einem Heer aus Nudeln oder Frittaten drin, du nimmst einen Löffel in den Mund, machst ‘Aaaaah’ und willst mehr davon. DAS ist Suppe, nicht dein Gemüsesubstitut, das sich am Gaumen festpappt und anfühlt, als hätte einem ein Gartenzwerg in den Mund gespuckt. Zusammengefasst: Verzichte!“ Sie lacht schon lange Tränen über meine wortreiche Suppen-Brandrede.

Wir schweigen eine Weile. Dann sagt sie: “Ich hab heut nochmal versucht, den Vertrag aufzulösen.” Ahja?“ “Keine Chance. Er lässt mich nicht raus.” “Du und deine Theorien!”, sage ich. “Keine Theorie. Hab ich dir doch erzählt. Lichtwesen, Seelen, Vertrag… ” “Jaja, ich weiß. Und jetzt?” “Ich bin so böse auf ihn.” “Böse?” “Naja, weil er mir nicht hilft bei meiner Trauer. Er könnte es, aber lässt mich total hängen.” “Ha! Das selbe Thema hatte ich gestern Abend.“, lache ich. “Und?”, will sie wissen. “Hab gesagt, sie kann mich mal. Bin endgültig durch mit ihr.”

“Und wenn du direkt zum ‘Boss’ gehst damit?”, frage ich. “Ja, aber das könnte er doch auch für mich machen. Hab ihn drum gebeten. Er tut es nicht.” Ich lache. “Du bist vielleicht eine Eule! Wieso sollte er das machen? Er will ja den Vertrag nicht kündigen. Und du kannst doch selber den großen Oberrichter anhauen deswegen. Würd ich an seiner Stelle auch nicht machen.” Sie seufzt. “Na, wenn du meinst…” “Ja, ich meine. Und du weißt ja: Ich hab immer Recht.” Wieder lacht sie. “Tut gut mit dir. Dein Talent!”, meint sie und klingt erleichtert. “Ich weiß. Ich bin einfach super.” “Ein Dödel bist du!” “Ja, ich lieb dich auch.”

“Und nun? Wie machst du weiter?”, fragt sie. “Naja, Pillen fressen und hoffen.” “Nicht das. Mit Lydia?” “Ja, gar nicht. Die Sache ist durch für mich.” “Ach, komm!” “Nein, wirklich. Lydia ist für mich gestor… Ach, du weißt, was ich mein.” “Ich geh wieder zu einer Aufstellung. Wenn du auch willst…” “Wenn du mir jetzt wieder mit deiner Voodoo-Scheiße kommst, kündige ich dir die Freundschaft!” “So ein Talent! So eine Verschwendung!” “Piep! Ihr Guthaben ist aufgebraucht.”, sage ich in ihr Lachen und lege auf.