Der neue Lehrer

Jörg Gschaider

von Jörg Gschaider

Story

Ich beschloss mich zum ersten Schultag der 3. Klasse Berufsschule mit den löchrigsten Jeans, die ich mein Eigen nannte und einem transparenten Shirt aus einem Army-Shop zu bekleiden. Dazu die ziemlich langen Haare … Zum ersten Schulbesuch der neuen Saison hatte ich absolut keine Schulsachen bei mir, nicht einmal einen Kugelschreiber. Ich musste meinem Stil treu bleiben. Meine Lehrer kannten mich bereits aus den vorigen Klassen. Was ich aber nicht wissen konnte war, dass es in diesem Schuljahr neue Lehrer geben würde. Ein einziger Lehrer sollte alle technischen Fächer unterrichten. 6 Stunden am Tag würde er in unserer Klasse sein. Die hauptverantwortliche Lehrkraft also! Ich konnte ihn brüllen hören, bevor ich ihn das erste Mal sah und kaum in der Klasse angekommen, versprach er Mani und Fred zu verprügeln, sollten sie sich nicht benehmen können. Passt genau! Dieser Typ war eine Herausforderung!

Stark anzunehmen, dass ihm meine Aufmachung nicht gefallen hatte. Dass ich keine Sachen dabei hatte, war bis zum Nachmittag kein Problem. Am Nachmittag aber lag Technisch Zeichnen an. Ohne Reißbrett kann man ganz einfach nicht zeichnen! „Leihen Sie sich zwei Dreiecke aus“, herrschte mich der Lehrer an. „Ich hoffe, dass Sie wenigstens Parallelverschieben können!“ Reine Beschäftigungstherapie! Schon einen Rahmen mittels zwei Dreiecken zu zeichnen, brauchte im Verhältnis zur Fertigung mit einem Reißbrett eine Ewigkeit. Endlich war das Blatt mit einem Stempel für das Schriftfeld zu versehen. Unglücklicherweise hatte ich den Stempel verkehrt herum aufgebracht. „Nehmen’S das Blatt, gehen’S damit zum Direktor und zeigen’S ihm, wie deppert dass’S sind“, befahl der Herr Lehrer, mit augenscheinlich schon ziemlich zerfleddertem Nervenkostüm. Uiui! War der aber leicht aus der Fassung zu bringen!

„Geh Gschaider, Du schon wieder! Muss das sein?“, war alles, was der Direktor zu sagen hatte. Er war wesentlich entspannter als der Lehrer. Klar, er kannte mich ja auch schon länger.

Zum Schluss des Unterrichtstages erfolgte noch eine Umfrage: „Wer hatte im vorigen Jahr in Fachkunde ein Sehr Gut?“ Es wäre meines Erachtens zwar nicht nötig gewesen zu antworten, aber ich hob dennoch meinen Arm. „Und wer in Fachrechnen?“ Ich zeigte wieder auf. „In Fachzeichnen?“ Wieder meine Wenigkeit! Langsam und bedrohlich kam der Lehrer auf mich zu, sah mir in die Augen und sprach, sein Erstaunen nicht verbergen könnend: „Wenn’S auch heuer wieder diese Ergebnisse erzielen wollen, müssen Sie sich aber gewaltig anstrengen!“

Na also! Der Grundstein fĂĽr ein erfolgreiches Schuljahr und eine Freundschaft war gelegt!

Bildquelle: Pixabay Bayu_Z

© Jörg Gschaider 2022-11-22

Hashtags