von Martina Verant
Unsere Nachbarn in der Kranjcstraße kannte ich seit ich 3 Jahre alt war, also schon recht lange. Familie Gaul – angenehme Nachbarn. Lag die Tiroler Tageszeitung länger als einen Tag unbemerkt vor unserer Haustüre, ereilte mich bestimmt ein Anruf und ich wurde gefragt, ob mit dem Papa alles in Ordnung sei, schließlich lag die TT am Abend noch genau so da wie frühmorgens.
Die Bande der Nachbarschaft begannen und endeten jedoch im Gruß, im Blumen gießen und im Tausch der Hausordnung. Sie kamen nie über das übliche „Wie geht es Ihnen?“ hinaus. Man schätzte sich, soviel stand fest. Auch als erwachsene Frau grüßte ich die Herrschaften immer noch mit Grüß Gott Frau Gaul, während ich für sie immer noch das kleine Mädchen war und ich mir ein Grüß-dich-Martina einholte. Eines kalten Wintertages fand ich Herrn Gaul sehr, sehr redselig vor.
„Weißt du Martina, was mir dieser Tage passiert ist?“ Diese Ankündigung ließ vermuten, dass es sich diesmal nicht um Hausordnung, den Bau des Lifts oder Politik handelte, sondern eher um etwas sehr Persönliches, das auch mich zu betreffen schien. „Weißt du, ich wohne nun seit 44 Jahren neben euch und vor ein paar Tagen meinte dein Vater:
„Du Dieter – i bin der Sepp!“
Endlich durfte er den n e u e n Nachbarn duzen! Hurra!
Auch Papa war bei dieser Begegnung anwesend und stimmte in mein Gelächter ein. „Wissen Sie, Herr Gaul, Papa glaubt nämlich, dass es nie zu spät sei, egal wofür!“ Das brachte ihm schon so manchen Handel mit meiner Mutter ein. Aber das erzähle ich Ihnen, wenn Papa einmal nicht zuhört. Nun lachten wir alle.
So einfach die Worte waren und uns alle belustigten, verstand ich dennoch, was dies für Sepp in diesen kalten Wintertagen bedeutete. Abschied, wohl versteckt, doch nicht unentdeckt für jemanden wie mich.
Den neuen Nachbarn stellte ich eines Tages, 11 Jahre nach Papas Abschied, einen Nikolaus mit einem Gruß aus dem Himmel von meinem Vater vor die Haustür, denn jedes Mal, wenn ich mittlerweile Martha oder Dieter traf, schwärmten sie von der guten Nachbarschaft, die wir doch hatten. Und manchmal muss man so etwas Physisch erneuern, fand ich. Bei dieser Gelegenheit konnte ich mir auch die alte Wohnung in der Krajncstraße mit den neuen türkischen Mietern anschauen. Denn ich wurde beobachtet, als ich den Nikolaus vor die Haustüre der Nachbarn stellte.
Ich betrat ehrfurchtsvoll den Raum, und meinte ich müsste sicher gleich weinen. Weit gefehlt. Vor meinem inneren Auge, war alles noch so da, wie ich es in Erinnerung hatte. Ich kann die neue Wohnung leider nicht beschreiben, ich habe sie nie gesehen. So viel zu Heimat. Einfach ins Innen übersiedelt. Komische Nachbarn, wohnen noch in unseren Möbeln!
© Martina Verant 2025-02-14