Der oberste Knopf 4/7

Ulrike Sammer

von Ulrike Sammer

Story

Da schoss es in Schwester Margit plötzlich heiß hoch.

Falls es vielleicht doch zu einer genauen polizeilichen Untersuchung kommen sollte, waren ihre Fingerabdrücke genau dort, wo sie am verdächtigsten waren: auf der Geldbörse, auf der Nachttischlade und vielleicht verrieten die Spuren sogar, dass sie die Kommode herumgeschoben hatte.

Sie musste sofort wieder hin. Obwohl ihr das total gegen den Strich ging.

Schwester Margit hievte sich mit Mühe aus ihrem Sessel hoch und wendete sich zur Türe. Sie griff im Vorbeigehen nach einem Putztuch, da hörte sie, wie sich ein Schlüssel in ihrem Schloss umdrehte und sich leise Schritte schnell entfernten.

Sie blieb wie versteinert stehen.

Das kann jetzt aber nicht wahr sein…

Margit griff nach der Schnalle, rüttelte an der Türe und musste entsetzt feststellen, dass sie sich leider nicht verhört hatte.

Ein Versehen konnte das wohl nicht sein. Niemand sperrt am Tag von außen ein Schwesternzimmer ab.

Wer wusste, dass sie gerade drin war? Und wer wollte sie ausschalten? Und warum, in allerWelt?

Schwester Margit griff sich in die Tasche ihres hellblau-weiß gestreiften Kittels.

Verdammt!

Sie hatte wohl das Handy in ihrem Personalspind unten vergessen.

16, 50

Gleich war es so weit, dass sich die Bewohner langsam mit Rollator, Stock oder mit dem Lift ins Parterre begeben würden um die fast übliche Abendmahlzeit, Tee und Brote, zu sich zu nehmen.

Frau Gscheitl würde sicher erst warten, bis alle mit dem Essen fertig sind, um ihnen die traurige Mitteilung zu machen, dass Frau Schneider von uns gegangen sei. So war das jedes Mal.

Da klopfte es heftig an die verschlossene Tür.

„Schwester Margit, sind Sie da drinnen?“

Sollte sie antworten? Es war doch peinlich, sich einzusperren oder eingesperrt worden zu sein…

Die Klopferin ließ nicht locker, pochte noch heftiger, lauter, länger.

„Schwester Margit, wachen Sie auf“

Was dachte die denn von ihr? Schlafen während der Dienstzeit?

„Der Frau Riemer geht’s schlecht. Die hat das ganze Zimmer angespieben!“

Na super, das auch noch! Egal … jetzt handeln:

„Frau Nowak! Holen Sie den Pförtner mit dem Universalschlüssel! Ich bin eingesperrt!“

Frau Nowak verstand gar nichts, aber immerhin konnte sie nach Längerem überzeugt werden, dass sie tatsächlich den Rudi holen sollte.

17,10

Die ersten Geh-Hilfen rollten in den Speisesaal. Hinter ihnen die zappelnden oder schlurfenden Anhänge in Filzpatschen. Die jungen Küchenhilfen wieselten emsig zwischen den Tischen und füllten rötlichen Früchtetee in die bereit gestellten bunten Becher. Hier und da ein aufmunterndes Wort.

Plötzlich ein Schrei, der in ein leiser werdendes Krächzen überging. Es kam aus dem vorderen Teil des Hauses.

© Ulrike Sammer 2023-04-14

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