Der Osterhase ist auch nur ein Mensch

Oliver Fahn

von Oliver Fahn

Story

Ich transportiere eine abgeschnittene, dem Kofferraum dennoch herauslugende Hopfenstange. Antonia bemäkelt die Sperrigkeit der Säule, die mitunter den Schaltknüppel lahmgelegt hat. Unser Auto hätte ich mit Benzin auftanken sollen, nicht mit Friedrichs auf Feldern gefundenen Raritäten. Warum klingen Antonias rhetorische Einläufe heute homöopathisch dosiert? Schwant ihr meine chronifizierte Unverbesserlichkeit? Jene Anlieferung, wo unser explodierendes Holzlager dem Wertstoffhof entgegensieht. Mein Ernst?

Zahnspangenloser Friedrich bedrückt sie. Vor allem der Aufenthaltsort der Spange. Im verwahrlosten Waldrucksack. Einem Rucksack, der einst die Titelseite der Regionalzeitung zierte. Als rustikale Ergänzung zum abgebildeten Stadtwald. Eine wenig schmeichelhafte Lokalprominenz für Antonia Außenwirkung, wie ich sie gelegentlich nenne. Während ihrer Belehrungen grinst ein mit verdrehtem Käppi Jugendlichkeit geltend machender Friedrich.

Kaum in der Küche angelangt, entführe ich mein Handy schülerhaft zur Toilette, wo ich durch unmotivierte Wasserhahnbetätigung Energiekosten in galaktische Höhen treibe. Kneippbeckenähnlichem Storchengang bei meiner Wiederankunft schmeckt Antonia Schuldbewusstsein heraus. Gewiss hält sie mich für eine Mimose auf zwei Beinen, einen verhinderten, dem Tisch zutölpelnden Über-glühende-Kohlen-Gänger.

Mein Brand ist das gebündelte Ergebnis aus geräuchertem Schinken und Friedrichs übersalzenem, von mir gegessenem Ei. Seit mir beim Schälen eine Schale ins Nagelbett geschossen ist, martern mich Entzündungsbeschwerden. Statt mit dem Verbandskasten anzurücken, bekrittelt Antonia die bis an den Dotter reichenden Ei-Wunde, das weggeschälte, der Schale noch anhaftende Eiweiß.

Meine Dreistigkeit des am Vortag verweigerten Verwandtschaftsbesuchs schnüre ihren Magen ein. Antizipiere sie aus der Müslischüssel bald herausspitzende Milch, weil ich sie angeblich zu punktuell einschenke, leide ihre Laune. Gefälligst, so Friedrichs von Antonia übernommener Befehlston, soll ich eine bereits nach dem zweiten Wechsel springende CD reparieren. Er hält es derweil für zwingend, dass der Osterhase in Runde drei durch unseren Garten hoppelt, um Geschenke auszulegen. Soll ich ihm auf den Osterhasen einwirkende Mechanismen offenbaren, die ab einem gewissen Punkt sinnlos werdende Nestersuche nahebringen? Seine Langeweile haben nachbarliche Büsche auszubaden. Per Handbagger rupft er, auf Topfstelzen am Zaun stehend, an deren Zweigen.

Völlig erledigt, fläzend und lesend, dekoriere ich Friedrichs Rutsche. Meine mangelnde Betriebsamkeit bestückt Antonia mit dem Substantiv Faulheit. An Friedrichs braunen Lippen erahnt sie grobkörniges, dem Sandkasten ausgehobenes und von ihm gelecktes Stracciatella-Eis. Seinen Stoffhund im bemoosten, von Zecken bewohnten Gras aufgestöbert, nimmt der Ostertag einen erwartbar krummen Lauf.

© Oliver Fahn 2022-04-20

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