Der Paddelexpress

Jökull

von Jökull

Story
Mecklenburg-Vorpommern 2022 – 2023

Naturliebhaber mit einer Affinität zum Paddeln und wenig Scheu vor gelegentlich überfüllten Regionalzügen kommen hier voll auf ihre Kosten. Die Rede ist von den Havelquellseen und der Ausstiegsbahnhof heißt Kratzeburg. Der Ort liegt an der Bahnstrecke Berlin-Rostock zwischen den Bahnhöfen Neustrelitz und Waren (Müritz). Dass der Zug hier hält, ist vielen Reisenden nicht bewusst. Deshalb ist es hier sehr beschaulich, wenn nicht gerade ein Schnellzug vorbeifährt.

Den Bahnhof habe ich eher zufällig auf dem Weg nach Neustrelitz entdeckt. Ein Hinweisschild auf den Bahnhof veranlasst mich, eine Anwohnerin zu fragen, ob und wie oft hier Züge halten. Sie sagt, dass der Regionalexpress in beide Richtungen etwa alle zwei Stunden hier hält. Das trifft sich gut, denn so spare ich mir weitere 15 Kilometer im Sattel.

Wer an das Südende der Müritz, Deutschlands größtem Binnensee, möchte, braucht von Kratzeburg aus nur 20 Kilometer zu radeln. Die Strecke führt größtenteils durch die Wälder des Müritz-Nationalparks, vorbei an glasklaren Seen und der hier noch naturbelassenen Havel. Noch vor dem ersten Ort erreiche ich den Käbelicksee, in den die Havel in der Nähe des Bahnhofs mündet. Ein paar hundert Meter hinter der Bahnunterführung mache ich Rast beim Kanu-Hecht. Der rustikale Holzbau des Imbisses schützt vor Regen und Sonne. Hier werden nicht nur Boote, sondern auch Fahrräder vermietet. Die Station liegt am Radfernweg Berlin-Kopenhagen und ist vor allem auch Ausgangspunkt für Bootstouren.

Wer mit der Bahn anreist, hat die Qual der Wahl. Wer eine längere Tour auf dem Wasser plant, nimmt sein eigenes Boot im Rucksack mit. Wer lieber mit dem Fahrrad unterwegs ist, dem empfehle ich ein Faltrad als Gepäckstück. Wenn man ein paar Tage in der Gegend bleibt und wieder zurückkommt, kann man beides hier ausleihen. Mit dem Klapprad fahre ich weiter nach Dalmsdorf. Im Gasthaus ‚Zu den Linden‘ stärken sich die ersten Radler. Entlang der kopfsteingepflasterten Dorfstraße entdecke ich schön restaurierte Vierseithöfe.

Auf dem Weg nach Granzin überquert die Straße auf einer unscheinbaren Brücke die Havel. Unter dem Schild mit dem Flussnamen weist ein weiteres Schild auf eine Löschwasserentnahmestelle hin. Die Havel verbindet hier den Käbelicksee von Kanu-Hecht kommend mit dem Granziner See. Kurz vor dem Havelkrug am Ortseingang lädt neben den Fischerhütten ein Badesteg zum Sprung ins kühle Nass und ein Picknicktisch zum Verweilen ein. Selten treffe ich hier andere Menschen. Eine Fahrwassertonne neben dem Schilf weist den Paddlern den weiteren Verlauf der Havel. Auf halber Strecke zum Schulzensee bietet ein weiterer Kanuverleih seine Dienste an. Hinter dem See führt die Havel zur Granziner Mühle und zur Umtragestelle. Vom Steg aus werden die Boote über die Straße getragen. Auf der anderen Seite wartet der „Paddelexpress“ an der Wendestelle einer Lorenbahn darauf, mit den Booten beladen zu werden. Dann geht es sanft bergab zum Pagelsee, wo die Tour fortgesetzt wird. Über weitere Seen und den Ort Wesenberg erreicht man den Bahnhof Fürstenberg. Hier beginnt das Land Brandenburg.

© Jökull 2023-08-22

Genres
Reise
Stimmung
Abenteuerlich, Herausfordernd, Emotional, Inspirierend, Unbeschwert
Hashtags