Der perfekte Grieche

Jamal Tuschick

von Jamal Tuschick

Story
Die Philologin Persephone besteht in einer norddeutschen Kleinstadt mit großer Hanse-Vergangenheit erotische Abenteuer. Mit identifikatorischem Interesse analysiert sie Leben und Werk der Schriftstellerin Wanda von Sacher-Masoch.

Aurora-Wanda von Sacher-Masoch weist das Ansinnen eines theatralisch vor dem Gatten vollzogenen Ehebruchs als Zumutung von sich. Während Leopold sie aufdringlich darum bittet, einen ständigen Besucher namens Staudenheim als Liebhaber in einer Cuckold-Konstellation in Betracht zu ziehen. Ihm schwebt ferner der „schönste Mann“ von Bruck als Erfüllungsgehilfe seines voyeuristischen Begehrens vor.

Der Provinzcasanova, obwohl „nur“ Förster, erscheint aristokratischer als die höchsten Würdenträger. Leopold erkennt in dem aufgetakelten Schrat den perfekten „Griechen“. Sein Ideal, die penetrant besungene Venus im Pelz, degradiert Leopolds Alter Ego Severin aka Gregor, indem sie ihn zum Zeugen des Geschlechtsvergnügens mit einem Griechen macht. Die literarische Phantasie soll Wirklichkeit werden, um die schriftstellerische Produktivität anzukurbeln. Wir reden hier über eine Vierkopplung von Passion und Pression. Leopolds Einkünfte beschränken sich auf Honorare. Fällt ihm am Schreibtisch nichts ein, verdient er nichts. Trocken bis fast auf den Grund wringt er seine Obsessionen aus. Er beschwört erschöpfte Dämonen. Der profane Alltag kränkt den Fulminanten. Einem Kritiker, der eine Venus im Pelz in steter Reichweite des Autors wähnt, widerspricht er:

„Wäre diese Frau in meinem Leben, dann wäre sie nicht in meinen Büchern.“

Wie soll er ein großes Publikum unterhalten, wenn ihn selbst nichts unterhält. Anders gesagt, Aurora erfüllt ihre Aufgaben als Domina nicht zufriedenstellend. Leopold setzt sie massiv unter Druck. Er deutet ihre Verweigerungen als Verstöße gegen die Gattenpflichten.

„Du meinst wohl, ich könnte Novellen schreiben, wie du Strümpfe strickst? Ich brauche zu meinen Arbeiten Stimmungen, Anregung. Was mich anregt, weißt du. Wenn du willst, dass ich für dich und deine Kinder Brot verdiene, dann kannst du doch auch etwas dazu tun.“

Leopolds Obsessionen lassen ihm und Aurora-Wanda keine Ruhe. Im Kindbett bis auf den Tod ermattet muss die Gattin auf ein Inserat antworten, in dem ein Mann – in den Verhüllungen der Epoche – bürgerlichen Ehepaaren ein frivoles Angebot unterbreitet. Er präsentiert sich als finanziell unabhängiger und „energischer“ Liebhaber.

Leopold ist deswegen ganz aus dem Häuschen. Seit Jahren drängt er Aurora, ihn zum Geschlechtsverkehrszeugen mit einem virilen, ihm ganz entgegengesetzten Mann zu machen.

Der energische Liebhaber reagiert postwendend. Er heißt Nikolaus Teitelbaum. Leopold schlägt Purzelbäume der Begeisterung. Aurora soll nur schnell gesund werden, um den Nikolaus schleunigst empfangen zu können.

Leopold vertreibt sich die Zeit, indem er mit der Hebamme ringt. Sie muss bei den Übungen Pelze der Gnädigen tragen. Wieder verlangt Leopold von Aurora Zustimmung und Anteilnahme. Er will sich hemmungslos ausleben, und Aurora soll darin ihr Vergnügen finden.

© Jamal Tuschick 2024-07-20

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Abenteuerlich
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