Der Powersassa!

Marianna Vogt

von Marianna Vogt

Story
Altstadt von ZĂŒrich 2023

Hugo war stolzer Besitzer eines Apfelladen in der Altstadt von ZĂŒrich. Er war ein sehr geselliger Mensch und im Quartier beliebt.
Hugo besaß außerhalb der Stadt eine große Apfelplantage. Er liebte die sĂŒĂŸen FrĂŒchte die er wĂ€hrend der BlĂŒtezeit mit großer Hingabe pflegte.

Im Herbst, nach der großen Ernte veranstaltete er immer ein Erntedankfest fĂŒr Groß und Klein in seinem kleinen GeschĂ€ft. Barbara, seine Nichte, die leidenschaftliche Freizeitköchin und PatissiĂšre war, engagierte er fĂŒr eine ganze Woche. Interessierte konnten an einer der unzĂ€hligen Backworkshops teilnehmen und unter ihrer kompetenten Anleitung feine Kuchen und sĂŒĂŸe Törtchen backen. 

Als dann die dunklere Jahreszeit ins Land zog, fiel Hugo in eine sogenannte ‘Lichtdepression’. 
So wusste Dr. Hagedorn es wĂŒrde nicht mehr lange dauern und Hugo wĂŒrde sich fĂŒr die licht-armen Wintermonate das jĂ€hrlich wiederkehrende Rezept verschreiben lassen.
Aber zum Erstaunen des Arztes blieb der Besuch aus. Er machte sich große Sorgen, ob Hugo etwas zugestoßen war oder ob ihn gar das Zeitliche gesegnet hatte. Der Psychiater wollte es herausfinden und machte sich auf den Weg in die Altstadt.
Da er die Adresse des GeschĂ€ftes nicht kannte, fragte er die Leute, die des Weges kamen, aber keiner konnte ihm behilflich sein. Bis ein kleiner Junge seinen Wunsch erhörte: «Ich weiß, wo sich das GeschĂ€ft des Apfelkasper’ befindet», sagte der Junge und nahm ihn bei der Hand.
«Warum nennt ihr Hugo denn ‘Apfelkasper?», wollte der Arzt wissen.
«Wir Kinder hier im Quartier sagen ihm so, weil wir ab und an einen Apfel geschenkt bekommen», antwortete der Knabe. «Er gibt uns die FrĂŒchte als Belohnung, wenn wir ihm bei der Ernte oder beim Laden auffĂŒllen, helfen.» Dominiks Augen glĂŒhten vor Freude.
Schon von weitem strahlten die Kerzenlichter in die dunkle Nacht. Als sie nĂ€her kamen, erkannte der Arzt Hugo. Emsig stellte dieser Äpfel auf die Treppe und entzĂŒndete deren Docht. Als die helle Flamme erlosch, legte er die FrĂŒchte ganz vorsichtig in den bereitgestellten Korb.
Der Psychiater sah Hugo eine ganze Weile zu, dann ging er zu ihm hin und klopfte ihm auf die Schulter: «Hugo, Sie sehen so glĂŒcklich aus. Was ist passiert?»
Hugo strahlte den Arzt an. Es sind die Äpfel, Herr Doktor. Sie machen mich so unendlich froh. Ich tauche den BlĂŒtenstiel der FrĂŒchte, welche ich nicht mehr verkaufen kann, in flĂŒssiges Wachs und lasse ihn trocknen. Etwas spĂ€ter entzĂŒnde ich sie. Das wĂ€rmende Licht und der Duft der Äpfel tun meiner Seele gut. So gut, dass ich mit dieser simplen und natĂŒrlichen Methode meine Krankheit besiegen konnte. Herr Hagedorn, Sie mĂŒssen diesen natĂŒrlichen ‚Powersassa‘, das ‘Apfeldepressiva’, wie ich es nenne, unbedingt in Ihre Rezept-Datei aufnehmen! Verzeihen Sie nun bitte, die Pflicht ruft», entschuldigte sich Hugo und verschwand mit dem Korb voller FrĂŒchte in den Keller.

Diese Geschichte ist nach der Veranstaltung «Altstadtgeschichten – Rundgang durch die Nacht» – mit der liebenswerten Barbara, die ihr von anderen Geschichten bereits kennt, mit GlĂŒhwein und Lebkuchen in der ‚GeschichtenbĂ€ckerei‘ entstanden. 

© Marianna Vogt 2023-11-24

Genres
Romane & ErzÀhlungen
Stimmung
Hoffnungsvoll, Informativ, Inspirierend
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