von Marianna Vogt
Hugo war stolzer Besitzer eines Apfelladen in der Altstadt von ZĂŒrich. Er war ein sehr geselliger Mensch und im Quartier beliebt.
Hugo besaĂ auĂerhalb der Stadt eine groĂe Apfelplantage. Er liebte die sĂŒĂen FrĂŒchte die er wĂ€hrend der BlĂŒtezeit mit groĂer Hingabe pflegte.
Im Herbst, nach der groĂen Ernte veranstaltete er immer ein Erntedankfest fĂŒr GroĂ und Klein in seinem kleinen GeschĂ€ft. Barbara, seine Nichte, die leidenschaftliche Freizeitköchin und PatissiĂšre war, engagierte er fĂŒr eine ganze Woche. Interessierte konnten an einer der unzĂ€hligen Backworkshops teilnehmen und unter ihrer kompetenten Anleitung feine Kuchen und sĂŒĂe Törtchen backen.Â
Als dann die dunklere Jahreszeit ins Land zog, fiel Hugo in eine sogenannte âLichtdepressionâ.Â
So wusste Dr. Hagedorn es wĂŒrde nicht mehr lange dauern und Hugo wĂŒrde sich fĂŒr die licht-armen Wintermonate das jĂ€hrlich wiederkehrende Rezept verschreiben lassen.
Aber zum Erstaunen des Arztes blieb der Besuch aus. Er machte sich groĂe Sorgen, ob Hugo etwas zugestoĂen war oder ob ihn gar das Zeitliche gesegnet hatte. Der Psychiater wollte es herausfinden und machte sich auf den Weg in die Altstadt.
Da er die Adresse des GeschĂ€ftes nicht kannte, fragte er die Leute, die des Weges kamen, aber keiner konnte ihm behilflich sein. Bis ein kleiner Junge seinen Wunsch erhörte: «Ich weiĂ, wo sich das GeschĂ€ft des Apfelkasperâ befindet», sagte der Junge und nahm ihn bei der Hand.
«Warum nennt ihr Hugo denn âApfelkasper?», wollte der Arzt wissen.
«Wir Kinder hier im Quartier sagen ihm so, weil wir ab und an einen Apfel geschenkt bekommen», antwortete der Knabe. «Er gibt uns die FrĂŒchte als Belohnung, wenn wir ihm bei der Ernte oder beim Laden auffĂŒllen, helfen.» Dominiks Augen glĂŒhten vor Freude.
Schon von weitem strahlten die Kerzenlichter in die dunkle Nacht. Als sie nĂ€her kamen, erkannte der Arzt Hugo. Emsig stellte dieser Ăpfel auf die Treppe und entzĂŒndete deren Docht. Als die helle Flamme erlosch, legte er die FrĂŒchte ganz vorsichtig in den bereitgestellten Korb.
Der Psychiater sah Hugo eine ganze Weile zu, dann ging er zu ihm hin und klopfte ihm auf die Schulter: «Hugo, Sie sehen so glĂŒcklich aus. Was ist passiert?»
Hugo strahlte den Arzt an. Es sind die Ăpfel, Herr Doktor. Sie machen mich so unendlich froh. Ich tauche den BlĂŒtenstiel der FrĂŒchte, welche ich nicht mehr verkaufen kann, in flĂŒssiges Wachs und lasse ihn trocknen. Etwas spĂ€ter entzĂŒnde ich sie. Das wĂ€rmende Licht und der Duft der Ăpfel tun meiner Seele gut. So gut, dass ich mit dieser simplen und natĂŒrlichen Methode meine Krankheit besiegen konnte. Herr Hagedorn, Sie mĂŒssen diesen natĂŒrlichen ‚Powersassa‘, das âApfeldepressivaâ, wie ich es nenne, unbedingt in Ihre Rezept-Datei aufnehmen! Verzeihen Sie nun bitte, die Pflicht ruft», entschuldigte sich Hugo und verschwand mit dem Korb voller FrĂŒchte in den Keller.
Diese Geschichte ist nach der Veranstaltung «Altstadtgeschichten – Rundgang durch die Nacht» – mit der liebenswerten Barbara, die ihr von anderen Geschichten bereits kennt, mit GlĂŒhwein und Lebkuchen in der ‚GeschichtenbĂ€ckerei‘ entstanden.Â
© Marianna Vogt 2023-11-24