von Hanspeter Gsell
Es war einmal ein Prinz, der wollte eine Prinzessin heiraten. Mit diesem Satz beginnt das Märchen „Die Prinzessin auf der Erbse“ von Hans Christian Andersen. Unser heutiger Prinz lebt in Italien auf einem großen Schloss und wollte nie und nimmer eine liebreizende Prinzessin, sondern einen stattlichen Prinzen heiraten. Da die böse Stiefmutter aber ihr Veto in die adlige Urne warf, wurde nichts aus der Hochzeit und so lebte er weiterhin mutterseelenallein auf seinem Schloss. Für jeden Tag, den er ohne seinen Traumprinzen verbringen musste, pflanzte er ein Reiskorn in den fürstlichen Garten und vergoss bittere Tränen. Freunde, Lakaien und Reisläufer brachten ihm von ihren Reisen um die Welt immer wieder neue Körner mit.
Eines Tages aber nahte der berühmteArchäo-Botaniker Dottore Finocchio auf seinem Schimmel und begutachtete des Prinzen Reis-Beet. Sein geübter Blick erkannte sofort, dass sich unter den vielen Pflänzchen auch mehrere ausgestorben geglaubte Sorten befanden. Der Prinz war begeistert! Vom Reis – aber auch vom Liebreiz des jungen Dottore. Zusammen begründeten sie die fürstliche Reis-Zucht und beliefern heute einige der besten Restaurants Italiens mit ihren alten Sorten.
Eher zufällig landete ich eines Tages auf des Prinzen Schloss. Wie aber spricht man einen italienischen Adligen an? Ich versuchte es mit „Grüezi Herr Prinz!“ und löste damit königliche Begeisterungsstürme aus. „Ah, Svizzero.“ Nach den sprachlichen Wirren und der feierlichen Übergabe einer Schokolade wurde ich zur Tafel geführt. Dottore Finocchio, eingekleidet als fürstliche Kammerzofe, servierte Reisgerichte. Reis in einer unglaublichen Vielfalt und in allen denkbaren Variationen. Reis, wie ich ihn noch nie erlebt hatte und wie ich ihn seither nie mehr gegessen habe.
Laut einer Umfrage meinen übrigens 72,5 % aller Schweizer unter 20 Jahren, dass Reis von irgendeinem Ben in Amerika erfunden wurde und direkt im Plastikbeutel wächst.
(Foto: Sandy Ravaloniana)
© Hanspeter Gsell 2021-08-06