Albert Einstein meinte einst, es sei leichter, einen Atomkern zu spalten, als ein Vorurteil. Ich denke, es gibt kaum Menschen, die wirklich völlig vorurteilsfrei durch die Welt marschieren. Wenn man keine gegen Rasse, Herkunft, Religion, Geschlecht oder Sexualität hat, dann doch wenigstens wegen des Aussehens eines Menschen. Jemand ist dick? Der hat sein Leben nicht unter Kontrolle/ist unsportlich und faul. Jemand ist gut gekleidet, durchtrainiert, gutaussehend und fährt ein teures Auto? Das ist bestimmt ein Macho/ein Sohn von reichen Eltern/ein Banker/ein arroganter Schönling. Ich denke, so ticken wir Menschen einfach. Wir sehen Menschen und bevor wir bewusst reagieren können, schubladisieren wir.
In Diskussionen mit meinem Freund über dieses Thema kamen wir des Öfteren zu dem Schluss, dass die einzigen Menschen, die keine Vorurteile haben, wohl kleine Kinder sind. Sie sind offen und neugierig, ihre Herzen sind rein. Doch gestern sah ich eine Dokumentation zu diesem Thema im Fernsehen und hab erstmals von dem „Doll-Test“ gehört. Ich war neugierig und habe über Youtube einige Videos gefunden, in denen dieser Test, manchmal in abgewandelter Form, an Kindern durchgeführt wird.
Ursprünglich werden bei diesem Test Kindern im Vorschulalter verschiedener Ethnien zwei Puppen vor die Nase gesetzt: Eine schwarze und eine weiße Puppe. Dann wurden den Kindern Fragen gestellt: „Welche ist die schwarze Puppe?“ Welche ist die weiße Puppe?“ „Mit welcher Puppe würdest du lieber spielen?“ „Welche ist die hübsche Puppe“ „Welche ist die hässliche Puppe?“ „Welche ist die liebe/brave Puppe?“ „Welche ist die böse Puppe?“. Die Antworten der Kinder waren für mich schockierend. Die Kleinen wurden gefragt, warum die weiße Puppe „lieb“ und die schwarze Puppe „hässlich“ ist. Die Antwort der Kinder: wegen des Aussehens. Weiße Haut und blaue Augen werden schon von den Kleinsten mit “schön” und “brav” assoziiert, schwarze Hautfarbe hingegen mit “böse” und “hässlich”. Der Gesichtsausdruck der Kinder mit dunkler Hautfarbe wurde während der Befragung stetig trauriger. Es machte sie traurig, sagen zu müssen, dass die schwarze Puppe hässlich/böse ist, doch es ist das, was sie glauben. Am grausamsten fand ich die abschließende Frage: „Und welche Puppe sieht aus wie du?“. Es war fast körperlich schmerzhaft, die Scham und Traurigkeit in ihren Augen zu sehen, wenn sie auf die schwarze Puppe zeigten. Aber das ist es, was diese Gesellschaft kleinen Kindern, diesen zarten Wesen mit ihren reinen Herzen, vorlebt. Daraus entwickeln sich Glaubenssätze, die sie ihr ganzes Leben lang begleiten. Es ist mir unbegreiflich, wie schon so kleine Kinder mit Vorurteilen zu kämpfen haben.
Ich schließe diese hoffentlich nachdenklich stimmende Story mit einem weiteren Zitat von Einstein:
Der gesunde Menschenverstand ist nur eine Anhäufung von Vorurteilen, die man bis zum 18. Lebensjahr erworben hat.
Bild: Unsplash, Tapio Haaja
© Melly Schaffenrath 2022-04-08