von Fanni Kumlein
Es war zu einer Zeit, wo Feinstaub maximal ein Wort in einem Deutschdiktat war. Trump irgendwo im gleichnamigen Tower saß. Blaue Pall Mal 1,30 Dollar kosteten. Und die College-Studenten Colin Powell feierten. Sommer 2005. North Carolina. Südstaatenfeeling. Es waren die guten Tage, Tage voller jugendlicher Unbeschwertheit, Visionen im Kopf, ein diffuses Gefühl der Verbundenheit im Herzen. Es war die Zeit, in der parallel, ein paar hundert Kilometer weiter nördlich, Zuckerberg gerade dabei war, den Beziehungs- und Begegnungsrahmen der Menschheit zu verändern und wo man noch analog fernsehte. Mein Rucksack und ich hatten gerade wundervolle Wochen quer durch die USA und Kanada erlebt und wir verabschiedeten uns in New York City von unserer gemeinsamen Reisebegleitung – vor mir lag eine Zeit an einem US-amerikanischen Uni-Campus. Ich würde eine Weile an der Duke University studieren und mich davon überzeugen können, ob diese wirklich das beste College Basketballteam der Welt hatten, Skulls & Bones einer Verschwörungstheorie entsprangen und ob die Amis bei Journeys „Don’t stop believing“ so reagierten wie wir bei „I am from Austria“ (natürlich nicht ohne vorherigen Konsum bester Destillationsergebnisse). So weit, so wunderbar. Ich hatte keine Pläne, ich hatte ungelogen nicht einmal eine Ahnung, wo genau ich hinmusste. Ich war in Verbindung gewesen mit dem chinesischen (!) Studentendienst, der mir angeboten hatte, mich vom Flughafen in Raleigh abzuholen. Ich frage mich bis heute, wie ich es schaffte, ruhig zu bleiben, als meine Maschine mit etlichen Stunden Verspätung Newark verließ. In Raleigh angekommen, holte ich mein Gepäck, schnupperte zum ersten Mal Südstaatenluft. Und erblickte, keine 30 Meter von mir, einen jungen Chinesen. Ich kann das Gefühl nicht beschreiben – manchmal „weiß“ man Dinge einfach. Und so lächelte ich ihn an und er kam auf mich zu. Er hatte Stunden gewartet. Ein Mensch, der mich nicht kannte, der überhaupt keinen Bezug zu mir hatte, saß einfach da und hat gewartet. Und lächelte. Er schien nicht genervt, sondern alle Zeit der Welt für mich zu haben. Er half mir bei meinem Gepäck und fuhr mit mir zum Uni-Campus. Dort klärte ich alle Formalitäten hinsichtlich meiner Unterkunft. Dort angekommen fragte er mich, ob ich einkaufen gehen wollte, er würde mich zu einem großen Supermarkt bringen und wieder zurück, immerhin sei die Wohnung und der Kühlschrank ja leer. Ich konnte die Freundlichkeit kaum fassen. Im Supermarkt angekommen, versorgte ich mich mit den Grundnahrungsmitteln und mehreren Kanistern Trinkwasser. Als ich ihm signalisierte, ich sei fertig, sah er mich fragend an, schüttelte den Kopf und ich werde sein Gesicht niemals vergessen, als er ungläubig sagte: „You forgot the rice-cooker!“ Ethnische Diversität, Abhandlungen über Kulturvergleiche: das alles brauchten wir nicht. Wir brauchten nur einen Reiskocher. Vielleicht sollte man einen in den Weltsichersheitrat schicken.
© Fanni Kumlein 2020-01-22