Der Reiz des Unbekannten

Elisabetta_Ardore

von Elisabetta_Ardore

Story

Alles, was ich zum ersten Mal mache, ängstigt mich zunächst. Es flößt mir einen gewissen tief greifenden Respekt ein, nicht zu wissen, worauf ich mich einlasse. Es gibt keinerlei Erfahrung, auf die sich mein stets so aktives Gehirn stützen kann und somit ist es für mich immer wie ein Sprung aus dem Flugzeug – zwar mit Fallschirm, aber wer sagt schon, dass der verlässlich aufgeht. Und so finde ich mich wiederkehrend in Situationen wider, die ich einerseits so sehr herbeisehne, um meine Leben etwas mehr Würze zu verleihen, und anderseits so sehr verabscheue.

Mein Leben fußt zuweilen auf bekannten Strukturen und eng getakteten Abläufen. Ich plane und durchdenke alles und erschaffe somit zwar ein äußerst effizientes, aber eben auch freudloses Dasein. Umso mehr staune ich über mich selbst, wenn ich mich dann doch einmal entschließe, den ausgetrampelten Pfad zu verlassen und mich zu komplett neuen Gefilden aufmache. Aus der Metaperspektive stehe ich dann beinahe ehrfürchtig mit vor Staunen offenem Mund vor meinem Selbst, applaudiere mir still und frage mich gleichzeitig, ob ich des Wahnsinns bin. Es ist ein Tanz auf Messers Schneide mit vermeintlich blutigem Ausgang. Gerade jetzt, wo die Zeiten so ungewiss und unvorhersehbar wie nie zuvor sind, ein in der Tat gewagtes Unterfangen. Und dennoch: In mir gibt es die tiefe Sehnsucht nach dem Neuen, dem Unbekannten. Es dürstet mich geradezu danach Dinge zu erleben, die ich zuvor noch nie erfahren durfte. Der Nervenkitzel schmeckt bitter-süß nach Abenteuer, das sich Leben nennt.

Die Themenfelder meiner Selbsterkundung sind dabei vielfältig wie mannigfach. Oft reicht es schon, ein neues Rezept auszuprobieren oder eine alternative auf einer bekannten Route einzuschlagen. Doch – und auch das scheint in der menschlichen Natur zu liegen – mit jeder Erfahrung wächst auch der Mut bis hin zum Übermut. Die Grenze dazwischen ausfindig zu machen, gelingt mir beizeiten erst im Nachgang, wenn ich vor den Scherben zerschellter Träume und Illusionen stehe. Mein trauriges Herz tief und schwer in der Brust und die emotionale Last einen Zentner schwer. Natürlich schließe ich in diesen Stunden innerlich den Pakt, künftig Herrgott nochmal beim Bekannten zu bleiben, auch wenn es noch so trist und unspektakulär daherkommt. Aber es tut zumindest nicht weh, hinterlässt keine zusätzlichen Spuren auf meiner teilweise schon vernarbten Seele. Zum Glück hält dieser Rückzug genau so lange an, bis ich den Ruf der unbändigbaren Lust nach Erfüllung wieder vernehme. Es fehlen noch etliche Elemente meines tausend Teile Puzzles und ich werde nicht müde, es Stück für Stück zusammenzusetzen – auch wenn das bedeutet, dass es mitunter schmerzvolle Passagen, Zeiten des Stillstands und herbe Enttäuschungen innehat. Deshalb halte ich es an dieser Stelle mit Erin Hanson:

“There is freedom waiting for you,

On the breezes of the sky,

And you ask „What if I fall?“

Oh but my darling,

What if you fly?”

© Elisabetta_Ardore 2020-10-31

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