Die Nana

Charlott Magdalene Jasniewicz

von Charlott Magdalene Jasniewicz

Story

Moralie und Bo versprachen der alten Dame ihren Ring zurückzuholen.

Das Dorf in dem Nana lebte war so grau, dass selbst die Sonne nicht mehr ihren Weg durch die Wolken zu finden schien. Ein kräftiger Bauer mit dickem Schnurrbart und ungewohnt sauberer und passender Kleidung schleppte einen großen Sack den Weg entlang. Als Moralie den Bauern nach Nana fragte, warf er stöhnend den großen Sack von der Schulter. Er setzte an etwas zu sagen, schüttelte seinen Gedanken wieder ab und wies ihr nur mit dem Finger den Weg.

Das Haus der Nana war aus morschem Holz und teils mit Moos bedeckt. Ein schwacher Rauch kam aus dem Schornstein. Die Tür fiel schon bei einem leichten Klopfen auf. Kurzerhand schlupfte Bo hinein. Ein leeres Bett, ein Stuhl und ein Tisch waren zu sehen. Der Duft von feuchtem Holz und Laub im Kamin hing in der Luft. Schnuppernd lief Bo auf die einzige weitere Tür im Raum. Ungeduldig rieb er sich am Rahmen. Leise wie ein ungebetener Gast, der sie war, schlich sie zur Tür. Zart klopfte sie an und horchte auf eine Antwort. Nur ein leises Schnarchen war zu hören. Moralie witterte ihre Chance den Ring der sterbenden Frau wiedererlangen zu können und öffnete leise die Tür. Bo tapste lautlos hinein und machte sich über ein dickes Stück Schinken her, das der schlafenden Nana einfach aus der Hand auf den Boden gefallen sein muss. Der Raum widersprach dem ganzen restlichen Haus. Es war voller schöner Stoffe, prunkvollem Schmuck und es glänzte und glitzerte überall. Das Bett, in dem Nana schnarchend lag, war doppelt so groß, wie das in der Stube davor. Ein großes rotes Laken mit goldenen Stickereien sowie ein schlafendes weißes Kätzchen lagen darauf.

Moralie schien es unmöglich in all dem Prunk einen so kleinen Ring zu finden. Achtlos lagen all die schönen Dinge auf dem Boden. Als hätt Nana daran schon das Interesse verloren, sobald es dieses Zimmer betrat. Da sah Moralie an der herabhängenden Hand der Nana einen Ring mit einem roten, apfelförmigen Stein. Das musste der gestohlene Ring der Frau Apfelbaum sein, der sie mit ihrem Mann wieder vereinen würde. Leise schlich Moralie heran. Vorsichtig steuerte sie ihre Hand zum Ring, da begann Bo die kleinen Finger der Nana abzuschlecken. Mit großen Augen sah Moralie nach der Nana, die sich nicht so leicht aus ihrem Schlafe wecken ließ. Plumps. Da lag der Ring auf dem Boden und Bo wandte sich dem Schinken wieder zu. Moralie nahm den Ring und klemmte sich den Kater unter den Arm. Da öffneten sich großen gelben Augen des weißen Kätzchens und es fauchte und knurrte los. Noch bevor sie mit Bo die Tür hinter sich zuschlagen konnte, erwachte Nana und schrie lauthals los. Sie schrie so laut, dass es dem Mädchen fürchterlich in den Ohren schmerzte. Bo schrie vor Schmerz auf und entriss sich Moralies Griff. Die rannte aus der Tür, schlug die Tür zu und klemmte einen Stuhl davor. Sie hörte es trippeln und brüllen, dass es ihr beinahe den Verstand raubte und rannte und rannte ohne zurückzusehen.

© Charlott Magdalene Jasniewicz 2022-08-25