Der Ritt am Feuerstühlchen durch Vietnam

Stefan Perner

von Stefan Perner

Story

Jetzt war es so weit! Noch hin und her gerissen von den Eindrücken Kambodschas – der all überstrahlenden Schönheit Angkor Wats und tiefster Dunkelheit der Roten-Khmer-Herrschaft – ging es gen Osten, vorbei am Mekong-Delta direkt in die Ho-Chi-Minh-Stadt, dem ehemaligen Saigon. Mein Plan war schon lange gefasst, ich wollte auf eigene Faust auf einem kleinen Feuerstühlchen durch das Reich der Vietkong reiten. Off the beaten track. Nicht immer der touristischen Hauptschlagader, die Saigon mit Hanoi verbindet, entlang treiben. Individuell. Jeden Tag das machen, wonach mir gerade ist.

Kein Weg führt dort vorbei. In Vietnam muss es eine Honda Win sein! 1 Zylinder, 110 ccm! Brachiale Gewalt sieht anders aus. Nachdem ich noch nie 2-Rad gefahren bin (kein Scherz), reicht es. Probefahrt am Parkplatz. Alle lachen. Ich muss erst mal schalten lernen. Egal. Gekauft! Mit dem Rucksack geht es zur Bank. 6.200.000 Đồng – ca. 250 € – kostet der Spaß. Am nächsten Tag geht es los.

Vor Angst Blut und Wasser schwitzend geht es im verrückten Stoßverkehr raus aus der Stadt. Ein Chaos³! Funktioniert aber geordnet wie ein Ameisenhügel. Nach 8h und 200km erreiche ich Mũi Né. 1. Tag überlebt! Heilfroh!

Wochen entlang des ehemaligen Ho Chi Minh Trails nähe der laotischen Grenze folgten. Teils einsam, teils mit Gleichgesinnten. Jason, der Motorradguide aus Alaska bleibt mir ewig in Erinnerung. Ein Ruhepol, der sich beharrlich weigerte im Sekundentakt die Hupe zu verwenden. Nur in Vietnam bedeutet das „Achtung! Hier komme ich!“. Man hört den Verkehr und muss nicht schauen. TUSCH! Schon entnahm er eine Bodenprobe aus dem nahe liegenden Reisfeld. 2 Vietnamesen fluchend und fuchtelnd, springen wieder auf ihr Bike und brausen weiter. Zum Glück nichts passiert, bis auf Sachschaden. Minuten später läuft schon ein grinsender Vietnamese mit einem Werkzeugkoffer daher. Einige Griffe und die Honda ist wieder fahrtüchtig. Fast wie ein F1-Boxenstopp mit Flügeltausch. Nur schneller! Weiter geht’s!

Vom trockenen Süden aus dem humiden Norden entgegen. Über Straßen und Pfade. Hügel rauf und runter. Flüsse kreuzend. Urwälder querend. Abwechslungsreich und unbeschreiblich schön! Verständnisprobleme? Verbaler Art ja, aber man schafft alles mit Handzeichen. Gastfreundschaft unendlich! Einmal wurden sogar die Großeltern umquartiert, um uns für den Austausch einer Hand voll Đồng bieten zu können. In jedem kleinen Dorf waren die Kinder in heller Aufruhr, wenn verrückte Westler auf einer Honda durch das Örtchen tuckern und vielleicht sogar eine Pause machen. Eines Abends wurden wir sogar zu einer Hochzeit eingeladen und Jason wurde genötigt auf der Bühne Karaoke zu singen, während ich am Tisch des Brautpaares raue Mengen an Reiswein vernichten musste.

Doch schnell kam das Ziel Hanoi näher. Ein letztes Mal durch den chaotischen Großstadtverkehr. Nun routiniert! Honda in Windeseile verkauft. Ab nach Hause. Mit lachenden Augen & ein wenig Wehmut.

© Stefan Perner 2019-12-01

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