von Stefan Fröhlich
Ein Ort der Ruhe sollte es ein. Zwei- bzw. Dreisamkeit als Familie genießen wollten sie. Die Abgeschiedenheit und Ruhe von einem kleinen alten Bauernhaus im Waldviertel erschien ihnen der richtige Ort dafür zu sein. Aber ist ein Familienidyll käuflich?
Als ich vier Jahre alt war, durchzuckte meine Eltern der Wunsch, sich ein Ferienhaus im Waldviertel zuzulegen. Bis dato lebten wir mit meiner Großmutter und der Familie meines Onkels unter einem Dach in Klosterneuburg. Das Zusammenleben lief nicht immer ganz friktionsfrei ab, weshalb meine Eltern ein Haus in und um Klosterneuburg suchten. Aufgrund der hohen Preise konnte in der näheren Umgebung nichts gefunden werden. Ein Kompromiss musste also her. Ein Wochenendhaus! Zumindest in den Ferien und am Wochenende sollte dem “Großfamilienidyll” entflohen werden.
Mein Vater war durch seine Motorradtouren zum Waldviertel-Fan geworden, also musste es ein Haus im niederösterreichischen Nordwesten werden. Eine von sanften Hügeln und Wäldern durchzogene Region mit leerstehenden Fabrikgebäuden, aufgelassenen Greißlereien in den Dörfern, viel Landwirtschaft und wenig Infrastruktur. Dafür aber mit günstigen Grundstückspreisen, schöner Landschaft, abwechslungsreicher Geschichte und Kultur. Brauchtum und Dorfgemeinschaft waren in dieser Region keine Fremdwörter.
Anzeigen wurden durchgeblättert. Immobilienmakler kontaktiert. Häuser besichtigt. In einem Haus rann Wasser von den Wänden herunter, das andere hatte keinen Garten, Mama wollte dieses, Papa wollte jenes. Man konnte sich auf kein Haus in der möglichen Preisklasse einigen. Streit folgte auf Streit, auf Geschrei folgten Tränen. Wie sollte ein Familienidyll möglich sein, wenn sich das Elternpaar niemals einigen kann? Wenn die Schuld für die Eheprobleme nur bei den Mitbewohnern gesucht, aber die Partner sich selbst und ihre Beziehung nicht hinterfragen?
Leider konnten Gitti und Stefan an einem Tag keinen Babysitter für mich finden. Alle Verwandte, Freunde und Bekannte waren beschäftigt oder mit meinen Eltern im Streit, weshalb sich keiner bereit erklärte, auf Klein-Stefan aufzupassen. Also musste ich zur Hausbesichtigung mitgenommen werden. Bereits im Auto fingen sie darüber zu streiten an, ob sich eine Besichtigung überhaupt lohnen würde. Der Ort lag über eine Stunde Fahrtzeit von Klosterneuburg entfernt. Ihr Sohn sollte ihnen bei der Entscheidung behilflich sein.
Es handelte sich um ein altes Bauernhaus in der Nähe von Krumau am Kamp. Bei der Besichtigung machte ich Bekanntschaft mit einem alten roten Besen und fing sofort an, mich nützlich zu machen. Fröhlich kehrte ich das Wohnzimmer. Gitti und Stefan sahen meine ausgelassene Putzfreude als Zeichen. Die Immobilie wurde gekauft. Eigentlich hätte ich, für meine Unterstützung, einen Anteil an der Provision verdient gehabt, denn ohne mich, hätten sich meine Eltern bestimmt wieder nicht einigen können.
© Stefan Fröhlich 2021-02-25