Auf der Suche nach einem günstiges Urlaubsdomizil empfahl mir ein Bekannter einen Bergbauern in Oberösterreich, den ich vorerst besuchen wollte. Im Hof des Bauern angekommen, stellte ich den Wagen ab und bemerkte beim Aussteigen, wie sich ein älterer, in Landestracht bekleideter Mann mit dem Bauern unterhielt und dann eine zweifingerstarke Astgabel in den Händen vor sich hinhaltend, über eine Wiese in Richtung eines nahegelegenen Waldes ging.
Nachdem ich mich dem Landwirt vorgestellt hatte, erklärte er mir auf meine Frage, dass der Mann ein sehr bekannter Rutengänger sei, der eine Wasserader suche, da der Brunnen versiegt sei. Fasziniert folgte ich dem Mann, den ich nach einem kurzen Sprint erreicht hatte und fragte ihn, ob er mir seine Arbeit lernen könnte. „Des learn in neamtn“, brummte der Rutengänger verstimmt und ging seines Weges, ohne sich nach mir umzudrehen. Leicht entmutigt kehrte ich zum Hof zurück. Bis zu diesem Tag hatte ich nur so nebenbei von der „Rutengeherei“ gehört, ohne mich dafür näher zu interessieren. Der Anblick dieses Mannes mit der Rute brachte mich in eine ganz eigenartige Stimmung, die eine beträchtliche Neugierde in mir erweckte.
Nachdem ich mit dem Landwirt einen Urlaubstermin vereinbart hatte, waren auch einige Urlaubsgäste aufgetaucht um sich mit uns zu unterhalten. Währenddessen war auch der Rutengänger wieder zurückgekommen, um dem Bauern zu berichten, dass er kein Wasser gefunden hätte und morgen wiederkommen würde. Er verabschiedete sich von allen Anwesenden. Nachdem er auch mir die Hand gedrückt hatte, sah er mir lange in die Augen und fragte, ob ich ihm gefolgt sei. Als ich bejahte, sagte er: „na guat, dia lern i des, kimm mit“,nahm mich am Arm und führte mich zum Stall, hinter dem eine leicht abfallende Wiese lag. Dort drückte er mir die Astgabel mit dem Auftrag in die Hände, ich solle ihr in waagrechter Haltung eine Spannung geben, mich auf eine Wasserader einstellen und die Wiese bergab gehen. Seiner Anordnung folgend, ging ich langsam bergab.
Nach zirka 50 Metern traf mich ein Schlag, als hätte ich in ein Stromkabel gegriffen, die Rute zerriss plötzlich mit lautem Krach in zwei Teile und ich stürzte kopfüber in die Wiese. Der Rutengänger, der mir gefolgt war, half mir auf und beruhigte mich. Dann nahm er ein Pendel, um die Stelle zu untersuchen, wobei er feststellte, dass ich auf eine Kreuzung zweier Wasseradern gestoßen sei, über denen der Bauer später den Brunnen bauen ließ.
Noch am selben Tag besuchte ich den Rutengänger in seinem Haus, in dem er mir die Grundzüge der „Radiästhesie“ erklärte. Er meinte, dass ich ein außergewöhnliches Talent in dieser Materie besitzen würde, welches unbedingt gefördert werden sollte.
In den folgenden Monaten beschäftigte ich mich mit Übungen, merkte jedoch bald, dass die Arbeit mit einer Zweihandrute Kreislaufstörungen hervorriefen.
Aus diesem Grund suchte ich mit gutem Erfolg nach Alternativen.
Doch das wird eine andere Geschichte
© Helmut Wigelbeyer 2019-10-10