Der schönste Sarg der Welt

LinaLilaWolken

von LinaLilaWolken

Story

Mit meinen fast 21 Jahren habe ich mir bisher nicht viele Gedanken über den Tod oder mein Begräbnis gemacht. Weshalb auch? Theoretisch habe ich noch viel Zeit. Praktisch weiß ich, dass es keine Garantie auf ein langes Leben gibt und man jeden Tag genießen muss. Bei einer Sache bin ich mir sicher und ich weiß genau, wie ich NICHT bestattet werden möchte: in einem hölzernen, unförmigen Ungetüm von einem Sarg im Invalidendom von Paris.

Wer das so wollte? Napoléon wollte das. Wer auch sonst? Niemand sonst. Aber kommen wir erst einmal zu dem Invalidendom selber, den wir zunächst nicht auf dem Schirm hatten. Unser Plan war es eigentlich vom Triumphbogen bis zum Louvre zu laufen (sehr ambitioniert nach einer schlaflosen Nacht im Fernbus), als wir zu unserer Rechten in der Ferne eine goldene Kuppel sahen. „Was ist das?“, fragte mein Freund. Wir waren gerade mal drei Stunden in der Stadt und er hatte mich bereits hundert Mal gefragt was das war oder was jenes hieß. Ein wenig fühlte ich mich geschmeichelt, doch auch meine Stadt- und Sprachkenntnisse stießen an ihre Grenzen. „Ähm keine Ahnung?“, erwiderte ich und ein kurzer Check auf dem Handy verriet uns, dass wir den Invalidendom, oder wie es hier hieß Hôtel des Invalides, vor uns hatten. Der Louvre konnte warten, also liefen wir gemütlich über die Brücke und immer weiter auf das Gebäude zu. Nach kurzer Einlasskontrolle und Tickets für umsonst (EU, 26 Jahre, ihr wisst schon) standen wir in dem imposanten Innenhof. Meinen Freund, der kleine Geschichtsfreak, zog es zum Museum über die Kriege Frankreichs, also blieb mir nichts anderes übrig als hinterherzulaufen. Was tat man nicht alles für l´amour. Während er sich interessiert die Ausstellung ansah, nahm ich das nette Angebot der Sitzbänke (You may sit) an. Für düstere Kriegsgeschichten strahlte draußen die Sonne viel zu hell, fand ich.

Nach der Ausstellung sahen wir uns noch die Kapelle an und folgten dann den Schildern zum Dom selbst. Drinnen erwartete uns respektvolle Stille, die nur hin und wieder durch leises Flüstern oder das Klicken einer Kamera unterbrochen wurde. In der Mitte des hohen Raumes, mit der schönen Deckenbemalung, war eine runde Öffnung und man konnte ein paar Meter nach unten sehen. Es gab unten einen kleinen, erleuchtet Rundgang und in der Mitte stand ein riesiger Klotz aus Holz. „Was soll das sein? Weshalb ziehe ich mir das rein?“, fragte ich leise und suchte nach einer Infotafel. Mein Freund hielt mich am Ärmel zurück. „Da liegt Napoléon drin.“ Ich sah wieder hin. Das war ein Sarg? „Ist nicht wahr“, murmelte ich. Wir gingen eine Treppe hinab und umrundeten den Sarg in dem Gang, welchen wir eben gesehen hatten. Die Krypta sparten wir uns, wir kannten sowieso niemanden. „Ich will Napoléon ja nicht zu nahe treten, aber ich habe noch nie einen so schönen Sarg gesehen“, sagte ich ironisch. „Darin würde ich auch ungern bestattet werden“, antwortete mein Freund. Dann waren wir uns ja einig.

© LinaLilaWolken 2022-08-02

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