Hundert der Tore hatte Theben im alten Ägypten. Der Fushimi Inari-Taisha Schrein in Kyoto dagegen 10.000. Weltweit ist er bekannt für seine Alleen aus zinnoberroten Torii, die vier Kilometer auf einen Hügel führen auf dessen Spitze symbolisch für die göttliche Energie ein Spiegel verehrt wird. Diese Tore werden von Betrieben und Einzelpersonen – man möchte sagen: jedem Gläubigen, der auf sich hält – gestiftet. Die Torii gewähren ja den Eintritt in die unendliche Welt der Götter. Mit der Spende eines Torii drückt man seine Dankbarkeit aus und hofft, bei den Göttern Gehör zu finden. Ein bisschen absurd, wenn ein Tor durch tausende hintereinander-stehende Tore zu einem Tunnel wird. Aber schön sind sie schon in dem orange-leuchtenden Rot – die Reklameinschriften der Firmen versteckt auf der Rückseite.
Der Shinto-Schrein ist einer der wichtigsten Schreine Japans und der Göttin des Reisanbaus geweiht. Fuchsstatuen säumen den breiten Aufgang zum Tempel. Sie sind Boten der Gottheit Inari und tragen im Maul ein Geschenk an die Menschen: Reisrispen, einen Schlüssel, einen Apfel oder gar ein Juwel. Sie haben eine magisch-religiöse Macht und symbolisieren Reichtum und Glück. Dort und da findet man auch Tiger und Löwen bei den Eingängen und die sehen sehr skurril, ja lächerlich aus und gleichen nur entfernt einem richtigen Tier. Da es in Japan nie Löwen und Tiger gab, auch keine Elefanten, wurden diese nach Erzählungen gezeichnet und geformt, ohne dass die Künstler je ein reales Bild gesehen haben. Sie sollen Macht, Kraft und Stolz demonstrieren. Vor den Schreinen steht eine kunstvolle Tanzhalle, worin Feste gefeiert und der Gottheit rituelle Tänze und Theater dargebracht werden.
Auf dem weitläufigen Gelände trifft man immer wieder auf kleinere Schreine oder Pagoden, wo man seine Wünsche und Anliegen auf Zettel, Täfelchen oder sogar Muscheln schreiben kann und aufhängen. Berührend der Schrein mit den abertausenden Ketten von Origami-Kranichen, die die Gottheit bewegen sollen, die Menschen von einer Krankheit zu heilen. Die traurige Geschichte von Sadako Saskia, dem leukämiekranken Mädchen aus Hiroshima, das mehr als tausend Kraniche zu einer Girlande faltete im festen Glauben an ihre Gesundung, habe ich bereits erzählt. Zum Schmunzeln verleitet die Spirituelle Müllablage – ein Seitenschrein, in dem alte Glücksbringer, Amulette, Fetische usw. entsorgt werden. Sie sollen nämlich nach einem Jahr ihre spirituelle Kraft verlieren, ja sogar das Gegenteil bewirken. Sie werden hier gesammelt und rituell verbrannt. Keine schlechte Idee und sehr praktisch. Zu Hause wird ausgemistet und beim Tempel werden neue Devotionalien gekauft.
Nicht minder berühmt und sehenswert ist der Kiyomizu-dera-Schrein in Kyoto. Reges Treiben auf dem steilen Weg hinauf durch eine Gasse voller Läden mit Spezereien. Lustig ging es bei der heiligen Quelle zu. Schülergruppen labten sich am heiligen Wasser, das in drei Strömen aus einem Felsen floss. Mit langstieligen Kellen versuchte man das köstliche Nass einzufangen. Nach dem Gebrauch wurde die Kelle in einem Blaulichtapparat sterilisiert. Natürlich musste ich auch davon trinken. Ob es wirklich zu meiner Gesundheit beiträgt, glaube ich weniger, aber schaden tut es sicher auch nicht.
© Christine Sollerer-Schnaiter 2024-01-06