von MJvK
Fünf Jahre lang schrieb er in sein kleines Buch. Bis eines Tages die Stimme aus dem Buch stieg und ihn zu begleiten begann. Je öfter sie ihn auf die Straße folgte, desto klarer wurden ihre Konturen: Eine stattliche Figur, dünn dunkles Haar und ein verschlagener, stählender Blick. Alles gepresst in einen altbackenen Anzug, dessen steifes Hemd unangenehm konservativen Historismus zeichnet. Die Schwingen, die sich aus seinem Rücken hinaus in die Welt bohrten, zerschnitten bei jedem Schritt mit ihren messerscharfen Federn die Grundlagen des Denkens.
Schweren FuĂźes durchstreiften die zwei die StraĂźe. Zur Seite tauchten Häuser auf und wieder unter. Verschluckt von der GleichgĂĽltigkeit und zur reinen Szenerie in den Hintergrund verbannt. Nichts als bloĂźe Inspiration fĂĽr gelangweilte BĂĽhnenbildner. An der nächsten Haltestelle stiegen die beiden Unzertrennlichen in die StraĂźenbahn und wie sich der Junge Schriftsteller setzt, drĂĽckt er sich seine Kopfhörer so tief in die Ohren wie er nur kann. Ein Abstumpfen der Sinne, ein leichter Graufilter ĂĽber das Perzept gelegt, um der konstanten Flut an unbrauchbaren EindrĂĽcken einen Riegel vorzuschieben. Ein nach innen gerichteter Fluchtversuch in ein kleines bekanntes persönliches Theater. Doch als ihm die Schwere der Welt schon fast genommen war und er sich gedanklich im Ozean der Musik hin und her treiben lieĂź, klopfte ihm sein dunkler Begleiter auf die Schulter. Mit einer eleganten Bewegung seiner knochigen Finger ludt er ein, die Aufmerksamkeit auf den Herren zu richten, der sich schräg gegenĂĽber erhob und einer alten Dame wie selbstverständlich seinen Platz anbot. Zwischen den Zähnen presst er scharf hervor: „Der Retter der Welt. Doch schau.., schau auf sein Kind! Siehst du, wie ihm die Angst in den Augen steht! Diese animalische Furcht vor der Hand seines Vaters. Was denkst du, wird dieser ach so feine Herr heute Abend wohl machen? Zu Hause, allein.“ Die Stimme des dunklen Begleiters wurde immer giftiger, lauter durchflutete jeden Moment des jungen Schreibers. Aus den schönsten Dingen des Lebens riss der schwarze Engel die Seele und labte sich an der Verzweiflung, die in dem Jungen wuchs.
© MJvK 2021-08-15