von Franz Müller
P. Roland war kugelrund. Seine braune Kutte, die ihn als Franziskaner auswies, wurde von einer weißen Kordel um die Körpermitte gebunden, festgehalten. Die Kordel fiel an der linken Seite herunter und hatte drei Knoten die seine Gelübde ausdrückten. Das waren Armut, Keuschheit und Gehorsam. Das verstand ich nicht, aber die Gelübde sollten ihm, als Ordensmann ausweisen und ihm helfen, sich Gott anzuvertrauen und damit er den Menschen dienen kann. Damit alle einmal in den Himmel kamen. Das beeindruckte mich sehr. Im Internat wussten alle seine Ordensbrüder, wie sehr er seine Buben liebte.
Mit frohem Herzen drückt er jedem gegenüber seine Freundlichkeit aus. Wenn er im Internat den Raum betrat, dann zog er die Blicke der Anwesenden auf sich. Ich musste mich zurückhalten, nicht aufzuspringen um ihn zu umarmen. Das hat er mir aufgetragen. Er hat gesagt, dass das unsere Liebe nur für uns beide wäre. An seiner Liebe zu mir brauchte ich nicht zu zweifeln. Er war offen, herzlich, loyal und hatte für jeden ein aufmunterndes Wort. Ein Klaps auf die Schulter oder kurz über den Kopf zu streichen. Niemand konnte irgendetwas Böses daran vermuten.
Pater Roland war nicht immer im Internat, denn er musste in der Diözese weit herumreisen. Eine seiner Aufgabe war es junge Menschen zu finden und sie für den Dienst als Priester in der katholischen Kirche zu begeistern. Wie mich.
Wenn er allerdings ins Internat kam, dann war es für mich als ob die Sonne aufging. Ja, er berührte mein Herz. Meistens kam er dann zu mir, nahm mich zur Seite und sagte: „Franzl, willst du bei der Heiligen Messe ministrieren?“ Dieser Altardienst war pures Glück für mich. Das Aufstehen in der Früh war auf einmal überhaupt nicht mehr beschwerlich, denn ich wusste, dass er mich brauchte. Das Stufengebet am Beginn der Messe, das ich mit P. Roland lateinisch betete: Introibo et Altare Dei… (Zum Altar Gottes will ich treten, zu Gott, der mich von Jugend an erfreut… ) war eingebettet in Geborgenheit und Vertrauen. Wenn sich P. Roland bei der hl. Messe umdrehte und uns segnete, trafen sich unsere Blicke. Dann war mein, aber auch sein Glück, vollkommen.
Es dauerte nicht lange bis P. Roland mir eröffnete, dass er mich fördern will, Priester zu werden. Das machte mich überhaupt nicht glücklich. Ich konnte mir nicht vorstellen Priester zu werden. P. Roland bedrängt mich sehr. Alles würde sich regeln lassen und ich hatte noch so viel Zeit. Seine Mitbrüder im Kloster würden mich auch unterstützen, diesen Weg zu beschreiten. Aber es hatte auch seine Vorteile. Einer war, dass ich häufig zur Beichte ging, um die Vergebung Gottes in der hl. Beichte zu empfangen. So konnte ich, wann immer ich wollte, die Studienzeit verlassen und war mir des wohlwollenden Blickes des Präfekten sicher.
Es war schon wirklich verrückt, als P. Roland mir am Ende der Zeit im Internat sagte: „Franz, eigentlich bist du jetzt schon fast ein Priester. Dir fehlen nur noch die hl. Weihen.“ Ich verstand, ich war sein Spiegelbild.
© Franz Müller 2022-11-13