von Andrea Wessely
Außerdem hatte sie qualvollen Hunger, den sie nicht mehr wie sie es mit sechzehn gerne getan hatte, in freudiger Erwartung begrüßte, um Tim Bernsteg aus der 6A mit ihren hervorstehenden Hüftknochen beeindrucken zu können.
Damals hatte sie noch richtige Motivation gehabt, dachte sie.
Sie konnte ein Ziel vor Augen behalten und trotz sorgenvoller Interventionsversuche ihrer Mutter jedes Abendessen konsequent verneinen, um rechtzeitig zu Anfang des Sommers in die Hollister Größe Doppel-Zero zu passen.
Diese Karriere der wirkungsvollen Unterernährung, hatte sie jedoch nach einem ernüchternden Klinikaufenthalt, mit dem ihr die Avancen von Tim zunichte gemacht wurden, an den Nagel gehängt, um sich wie eine vernünftige Erwachsene auf ihre Bildung zu konzentrieren.
Ähnlich wie bei ihrem Mitbewohner, der sich durch den kleinen ohnehin viel zu fetten Hamster eine Abwechslung zu seinem Dasein im absoluten Stillstand erhofft hatte, war auch ihr geisteswissenschaftlicher Masterabschluss nicht dazu in der Lage, ihr über regelmäßig wechselnde unterbezahlte Bürojobs hinwegzuhelfen.
Ihre Faulheit und eine Alkoholfahne, „die sich nun schon bis in die Geschäftsflächen verbreitet hatte“, führten vor einigen Monaten zu ihrer ersten fristlosen Kündigung.
Seitdem war es mit ihren Finanzen steil bergab und mit ihrer Faulheit stark bergauf gegangen.
© Andrea Wessely 2025-04-14