von Andrea Wessely
Nach einer Entschuldigung bat der Arzt sie in sein Behandlungszimmer: Weiße Wände, ein antik anmutender, viel zu kleiner Schreibtisch aus teurem Tropenholz, auf dem sein Mac Book und undefinierbare einzelne Ausdrucke gerade so Platz fanden. An der Wand stand ein dazu passender Kasten mit leerer Glasvitrine. Sie saß ihm gegenüber auf noch mehr unbequemen Tropenholz, er hinter dem aufgeklappten Mac Book.
»Was führt Sie zu mir, Frau Brünn?«
Und ohne auf eine Antwort zu warten: »Sie sprachen am Telefon von Konzentrationsproblemen und einem begründeten Verdacht auf ADHS?«
In einer Ecke des Raumes stand etwas, das sie für einen Luftbefeuchter hielt – ob er für die Patient*innen oder das Mahagoni gedacht war, schwer festzustellen. Das Zimmer erweckte in ihr den Wunsch, sich in die altertümlichste aller therapeutischen Stellungen zu bringen und ihre Füße über einer teuren Sofalehne baumeln zu lassen.
»Genau. Wissen Sie, seit mein Sohn mit ADHS diagnostiziert wurde, fällt mir auf, dass ich als Kind die gleichen Probleme hatte. Nur ohne die Hyperaktivität. Ich habe -«
»Das ist bei Frauen tatsächlich ganz typisch. Und da ADHS stark erblich bedingt ist sind ihre Überlegungen nicht abwegig.«
© Andrea Wessely 2025-05-14