von Sabrina Farkas
Wäre ich letztes Jahr gefragt worden, was der Advent für mich bedeutet, hätte ich gesagt: Den Advent kann man auf zwei Arten sehen – auf die verklärte und auf die realistische. Erstere Betrachtungsweise ist eine, die vielleicht aus einem Bilderbuch aus Kindertagen stammen mag: tanzende Schneeflocken auf stillen Straßen; bunte Wollhandschuhe, die eine Tasse mit dampfendem, duftendem Kakao umfassen; entspanntes Keksebacken zu zarten, weihnachtlichen Klängen aus dem Radio. Doch das war für mich und, da bin ich mir sicher, auch für viele andere immer nur die Theorie. Leider.
In der Praxis bedeutete die Vorweihnachtszeit in den vergangenen Jahren meiner Erinnerung nach hingegen: trostlos grauer Himmel über mit Autos völlig verstopften Straßen und vor gestressten Einkaufswütigen wimmelnden Fußgängerzonen; eisige Finger in zu dünnen Lederhandschuhen, die das klebrige Punschhäferl so lange umklammern, bis man sich endlich zum Austrinken überwunden hat; zermürbendes Besorgen von Backzutaten für Kekse, die am Ende trocken oder unförmig werden, während nervige Werbesports abwechselnd mit den immer gleichen Weihnachtsliedern, an denen man sich schon seit Jahren satt gehört hat, aus den Lautsprechern dröhnen.
Doch heuer hat der laute, hektische Advent keine Chance. Er beginnt mitten im Lockdown. Die Geschäfte geschlossen, die Weihnachtsmärkte verlassen, Keksbacken erstmals mit Muße, weil man nirgends hin muss und sich Zeit lässt, damit die Zeit vergeht. Ich weiß, schlimm für die Wirtschaft und alles. Ich will ja auch gar nichts schönreden. Aber die Optimistin in mir, die kann nicht anders und die darf heute auch einmal zu Wort kommen und ihren Vorschlag aussprechen: Wenn es schon ist, wie es ist, dann machen wir doch das Beste daraus?
Wie viele Menschen verbringe auch ich gerade viel Zeit zu Hause. Homeoffice, Onlinetraining, Wohnung umräumen, Bücher lesen, Filme schauen,Freundinnen anrufen … meist geht das einige Tage gut, ist ja ganz gemütlich, aber irgendwann zieht es mich dann doch wieder nach draußen. Die Runde um den Häuserblock hat sich längst abgenutzt, ein neues Ziel muss her. Eine Freundin hat am Telefon von der Weihnachtsbeleuchtung erzählt, die ihr auf ihren abendlichen Spaziergängen so gut gefällt. Ich denke an die Wiener Innenstadt und an meine Lieblingskaffeesorte, die es nur um diese Jahreszeit gibt. Also schnell meinen Mann überredet und los geht’s: Ein Sonntagsspaziergang von Ottakring ins Stadtzentrum. Herrlich blauer Himmel über uns. Ein Lokal, das herrlichen Punsch und Glühwein zum Mitnehmen anbietet. Und schließlich das Highlight, mein Kaffee mit Lebkuchengeschmack. Bewusster Genuss, das ist heuer der Advent für mich. Besinnlichkeit nicht nur an Papier, sondern endlich Ruhe und Achtsamkeit auch im echten Leben. Nach dem Kaffee haben wir uns so glücklich auf den Heimweg gemacht, dass wir die Weihnachtsbeleuchtung vergessen haben.Die sehen wir uns dann nächstes Wochenende an!
© Sabrina Farkas 2020-12-01