Der Streit der Fischer

Ida247

von Ida247

Story

Zwei Fischerboote schlugen aneinander. Der eine Fischer hielt seine Angel fest im Griff, der andere zog an seinem Netz.

„Ich habe etwas Großes!“, rief einer. „Ich noch etwas viel Größeres!“, der andere. Beide zerrten und ächzten.

„Ein Fisch!“, ertönte die Stimme des Fischers mit dem Netz. „Eine Frau“, jauchzte der Angler.

Sie starrten und staunten nicht schlecht. Die Angel des einen hatte sich in das lange Haar einer jungen Frau verfangen, die satt Beine mit einer Flosse um sich schlug, doch diese war gefangen im Netz des anderen Mannes. „Eine Meerjungfrau!“, riefen beide aus und zogen heftiger. Die Frau zappelte erschrocken um sich, als sie so unsanft an Haaren und Schwanz gezogen wurde. „Sie gehört mir!“, rief der Fischer mit der Angel und packte die Arme der Meerjungfrau. „Nein, mir!“, brüllte der andere zurück und langte nach der glitschigen Flosse in seinem Netz.

„Ich gehöre niemanden, ich gehöre mir“, ertönte die Stimmer der Meerjungfrau, Niemand hörte ihr zu.

„Ich war zuerst hier“, sagte der eine. „Das ist mein Fangrevier! Du hast hier eh nichts verloren!“, widersprach der Andere. „Mein Urgroßvater hat hier schon geangelt!“, sagte der Angler stolz. „Na und, ich war der erste hier mit einem Netz“, übertrumpfte der Netz-tragende Fischer ihn. „Dein Netz macht nur die Bucht kaputt“, fauchte der andere Mann und zog heftiger an der Frau. „Deine Angel ist ein Armenspielzeug und wird nicht einmal deine eigene Familie sättigen!“, das Netz wurde weiter hinauf gezogen.

„Ich gehöre niemanden, ich gehöre mir“, wiederholte die Meerjungfrau, doch Niemand hörte ihr zu.

„Sie ist mein!“, schrie der eine. „Nein, mein!“, der andere. Sie zerrten und zogen und die Meerjungfrau glaubte in zwei gerissen zu werden. Der Fischer mit dem Netz spürte, wie die Flosse ihm entglitt. Aus Angst seine Beute zu verlieren, nahm er einen Eimer und warf ihn den anderen Mann an den Kopf. Der Angler taumelte, ließ die Arme der Frau los und stürzte vornüber mit dem Kopf in das Wasser. Sein Körper hing über das Holz und sein Haupt platschte im Wasser. Sein Kahn schwankte hin und her und seine Haare wurden vor und zurück durch das Wasser gezogen. Eine dunkle Flüssigkeit breitete sich um das Boot aus.

Der andere Mann war entsetzt auf seinem Boot stehengeblieben und die Meerjungfrau war hart an die Seite des Buges geknallt. Benommen wollte sie ihre Haare befreien, da packte sie der Mörder und zerrte sie mitsamt der Angel des Toten in seinen Kahn.

„Ich gehöre niemanden, nur mir selbst“, sagte die Meerjungfrau kläglich, Niemand hörte ihr zu.

Ja, Niemand hörte sie. Niemand kam und Niemand nahm ihre Hand. Niemand blieb bei ihr und Niemand begleitete sie in den Tod, als der Fischer sie tötete. Denn Niemand konnte sie sehen.

© Ida247 2024-08-29

Genres
Romane & Erzählungen