von Leonie Winkler
Mein Kopf war schwer und heiß, während ich ihn gegen das Kopfpolster des Fahrersitzes drückte und mit meinen schwitzigen Fingern unruhig über das speckige Leder des Lenkrads fuhr. Ich war auf dem Weg nach Fillmore, eine Kleinstadt mit rund 15.000 Einwohnern im Ventura County. Draußen hatte es 30 Grad und mein Auto eine kaputte Klimaanlage. Ich hätte sie im letzten Sommer reparieren lassen sollen, hatte aber beschlossen, es aufzuschieben da mein Geldbeutel als Student nicht wirklich locker saß. Die Luft flirrte über dem Asphalt und mein Shirt klebte an meinem erhitzten Körper wie eine zweite Haut. Fillmore war meine Heimatstadt. Hier war ich aufgewachsen. Aufgewachsen mit Eloise. Neben mir auf dem Beifahrersitz lag der erste Brief. Er zitterte während der Fahrt unruhig auf dem ausgeblichenen Polster umher. Angestrengt versuchte ich nicht allzu oft neben mich zu blicken. Ich konnte mich nicht erinnern, wie oft meine beste Freundin dort neben mir gesessen hatte, die Füße gegen das Armaturenbrett gestemmt. Der Wind, der Eloise dabei durch das offene Fenster durch ihr honigfarbenes Haar gestrichen war. Schnell kniff ich die Augen zusammen, um die aufkommende Feuchtigkeit zurückzudrängen. Als ich durch die ersten Ausläufer der Kleinstadt fuhr, hatte ich das Gefühl mit jeder Meile, mit der ich mich dem Haus von Eloise näherte, schwerer atmen zu können. Ich ging vom Gas und ließ den Wagen ausrollen, bis ich ihn entlang des breiten Gehsteigs hinter einem alten Lieferwagen parkte. Das Haus war mit grünen Holzpaneelen verkleidet, von denen langsam die Farbe abblätterte. Im Vorgarten stand eine hohe, alte Eiche, die ihre knorrigen, dicken Äste wie Finger über den frisch gemähten Rasen spreizte und dunkle, lange Schatten auf den Boden warf. Ich zog den frischen, krautigen Duft des geschnittenen Grases tief ein und starrte gedankenverloren auf die rissige Rinde des Baumes. Wir waren früher immer in der Krone herumgeklettert, bis Eloise eines Tages vom Baum gefallen war und sich den rechten Arm gebrochen hatte. Hier vor dem Gartentürchen auf dem Gehsteig vor dem Elternhaus ihrer besten Freundin hatte alles angefangen. Als Eloise und ich die Highschool abschlossen, zogen ihre Eltern nach Santa Clarita. Seitdem war ich nicht mehr hier gewesen. Meine Eltern lebten noch immer hier, während ich ebenfalls eine winzige Wohnung in der Nähe der The Master’s University in Santa Clarita bezog. Mit klopfendem Herzen drehte ich den Brief zwischen meinen Fingern und öffnete den Umschlag. Es waren deutlich mehr Seiten als beim ersten Brief. Die Seiten waren warm von der Sonne, in der sie die ganze Zeit im Auto gelegen hatten. „Lieber Elijah, wie ich sehe, muss mein erster Hinweis nicht sonderlich schwer gewesen sein. Ich war schon lange nicht mehr hier. Sieht das Haus so aus wie damals? Wenn ja, müsste einer der Dachziegel unter meinem Zimmerfenster an der linken Ecke immer noch abgebrochen sein. Wir sind damals nachts heimlich aus dem Fenster geklettert, um vom Dach aus die Sterne besser sehen zu können. Ich bin abgerutscht und habe mit meinem Schuh die Ecke des Ziegels abgebrochen, erinnerst du dich?“ Meine Blicke wanderten zu dem ganz rechten Fenster im zweiten Stock des Hauses. Ich grinste still in mich hinein und ein warmes Gefühl breitete sich in mir aus. Ich lächelte scheu. Tatsächlich. Er war wirklich noch da.
© Leonie Winkler 2023-08-06