Der Tag, als Eloise starb-#8

In dieser Nacht schlief ich schlecht. Ständig wachte ich schweißgebadet auf, weil ich geträumt hatte, Eloise stehe an meinem Bett und schaue mir beim Schlafen zu. Schließlich gab ich um drei Uhr nachts auf, ging auf meinen Mini-Balkon und zündete mir eine Zigarette an. Die Packung hatte ich in meiner Schreibtischschublade gefunden. Ich hatte vor zwei Jahren aufgehört. Als das Nikotin langsam meinen rasenden Herzschlag verlangsamte, begann ich erneut an Eloise und ihre Mutter zu denken. Ob ich gewusst hatte, dass sich ihre Tochter umbringen würde? Gott verdammt, nein. Hätte ich es gewusst, hätte ich Eloise niemals damit durchkommen lassen. Würde ich Lisa von den Briefen erzählen? Ich wusste es nicht. Das hier war ein Ding zwischen ihr und mir. Ich trat die Zigarette aus und schnappte mir meine Autoschlüssel. Es gab deutlich besseres, als mitten in der Nacht zu einer Highschool zu fahren, aber ich musste wissen, was in Eloises zweiten Brief stand.

Der Lärm der Zikaden war wie ein ständig rauschendes Hintergrundgeräusch in der Dunkelheit, während ich den Wagen auf den Parkplatz der Schule lenkte. Das Footballfeld lag einsam und verlassen vor mir. Ich und Eloise waren hier selten gewesen. In einem Football Team waren meistens nur Gewinner. Menschen, die auf der Sonnenseite des Lebens standen. Bei den glücklichen Mädchen, die es ins Cheerleader-Team geschafft hatten, galt dies genauso. Verlierer fand man hier nie. Ich lehnte mich gegen meinen Wagen und zündete mir eine neue Zigarette an. In meinem Mund lag ein schaler, sauerer Geschmack. „Willkommen zurück, Elijah. Ich gehe stark davon aus, dass du auch dieses Rätsel problemlos lösen konntest. Die Highschool war für uns beide Himmel und Hölle zugleich. Himmel, weil wir einander hatten und Hölle, weil das tägliche Leben hier vor allem für mich ein Überlebenskampf war. Über dem Haupteingang im zweiten Stock befand sich damals das Büro von Direktor Wakefield. An einem Tag im April zitierte er mich hierhin. Du kennst die Geschichte. Ich hatte Brianna Sullivan ins Gesicht geschlagen und ihr linkes Auge erwischt, dass dabei so unglücklich getroffen wurde, dass eine Netzhautablösung drohte. Wakefield hielt mir einen dreißig minütigen Vortrag zum Thema Gewalt, ohne mich auch nur nach dem Grund für den Auslöser zu fragen. Aber meine Geschichte interessierte niemanden. Wenn man die Wahl zwischen mir und einem beliebten Mitglied der Cheerleader hat, ist die Antwort klar, wem man glaubt. Du warst dabei, als sie im Geschichtskurs ein riesiges Plakat mit einem Bild von mir auf das Whiteboard klebte über dem „Friedhof Schlampe des Monats“ stand. Das Foto zeigte mich, als ich mit dir in der Cafeteria saß und zu Mittag aß. Ich hatte an diesem Tag ein zugegebenermaßen ziemlich kurzes Kleid an, dessen Saum mir nur knapp bis über den Po reichte. Ich habe es erst zu spät realisiert und konnte mich nicht mehr umziehen, da ich bereits in der Schule war. Bevor der Lehrer kam, nahm sie das Plakat ab um Beweise zu vernichten. Doch bis dahin hatten es alle gesehen, es unter Beifall abfotografiert und anderen Freunden geschickt. Ich bin heulend aus dem Klassenzimmer gerannt und habe mich im Klo verschanzt, bis du kamst, um nach mir zu sehen. Als sie an diesem Tag im Juni mich erneut anfing zu beleidigen, habe ich es nicht mehr ausgehalten und habe zugeschlagen.“