von Anette Kohs
Ich sitze in der Morgendämmerung in meinem Bett und trinke den ersten Kaffee. Der wohlriechende Duft umgibt mich und ich nippe vorsichtig an meiner Tasse. Ich beginne jeden Tag mit einer frisch aufgebrühten Tasse Kaffee im Bett. Das ist in der Früh mein Ritual, um ins Leben zu finden. Diese halbe Stunde ist unsagbar kostbar für mich. Ich liebe die Ruhe in dieser Zeit und die Welt bleibt noch draußen. Ganz bei mir ordne ich meine Gedanken, lege die letzten Traumfetzen zur Seite und lausche in mich hinein. Ganz da sein im Moment!
Nach einer kleinen Weile öffne ich mich und mein Blick wandert zum leicht gekippten Fenster. Es ist ein kalter Wintermorgen im Januar. Kaum ein Laut dringt in mein Zimmer. „Es hat wohl geschneit heute Nacht”, denke ich. Diese Stille mag ich besonders gern. Der Schnee scheint alle Laute zu bedecken und die Welt hält inne.
In diesem Augenblick nehme ich innerlich eine wohltuende Wärme wahr, die mich eintauchen lässt in einen tiefen Frieden. Meine Katze liegt wie immer eingerollt auf der Bettdecke zu meinen Füßen. Auch sie genießt diese Minuten der Eintracht und des Schweigens. Nicht selten, und auch heute, schweifen meine Gedanken dann zu dem oder das, was wir Gott nennen, und ich bitte um einen guten Tag.
– Manchmal frage ich mich dann allerdings: „Was tust du hier eigentlich? Mit wem sprichst du überhaupt? Glaubst du wirklich, da ist etwas – eine höhere Macht oder Energie oder was auch immer, der, die oder das deiner Bitte nachkommen könnte?” Ich nehme einen Schluck aus meiner Tasse. Mein Denken läuft ins Leere und ich bekomme keine klare Antwort. Doch etwas in mir sagt, dass ich mich damit nicht zufriedengeben kann. Etwas in mir sagt, da ist doch mehr. Eine tief in mir sitzende Sehnsucht bahnt sich in diesen Momenten ihren Weg in mein Bewusstsein. Es fällt mir schwer danach zu greifen. Ich kann es nicht einordnen in mein Befinden. –
Meine Tasse Kaffee ist leer und der Tag ruft nach mir und mahnt mich, das Bett zu verlassen. Schnell verfliegt der Augenblick des Innehaltens, des Spürens einer anderen Daseinsform. Mit beiden Beinen auf dem Boden beginne ich meinen Alltag mit seinen Anforderungen und stelle mich den Aufgaben, die auf mich warten. So vergeht Tag für Tag, Woche für Woche, Jahr für Jahr. Aber irgendwann, so hoffe ich, werde ich eine Antwort auf meine Frage in den frühen Morgenstunden finden …
© Anette Kohs 2023-04-24