„Du weisst ich lieb dich, auch deine Tochter, aber unzählige Schnecken in der Sonne verrecken zu lassen ist echt das Letzte!!!!!“ Mist, sind die nicht weg gekrochen?! Ach du meine GĂĽte! In der Eile des Zusammenpackens um nicht allzu spät zur Grillfeier zu kommen hatte ich die Freilassungsaktion sträflich vernachlässigt. Die 10 Minuten in denen ich die Kinder noch bitten hätte sollen unsere „Tagesgäste“ mit denen sie zuvor rĂĽhrend gespielt hatten wieder an schattigen Orten frei zulassen waren irgendwie verloren gegangen. Da die Behälter jedoch nicht geschlossen waren stellte ich sie unter unseren Nussbaum in den Schatten und dachte sie wĂĽrden ganz einfach rauskriechen. „Die Schuld kannst du alleine mir geben. Lass meine Tochter da raus.“ war meine erste „Löwenmutter“ Antwort auf die harsche SMS.
„Tu ich eh! Du weisst, was ich davon halte Tiere einzusperren und wie Spielzeug zu behandeln. Ich habe dir das jetzt schon mehrfach subtil versucht zu sagen. Verbiete es deiner Tochter doch ganz einfach! Ich habe geweint als ich es gesehen habe und die Schnecken in den Schatten getragen und mit Wasser begossen in der Hoffnung, dass die ein oder andere ĂĽberlebt. Ich werde in der Kindererziehung noch mein blaues Wunder erleben, aber eins weiss ich: mein Kind schätzt mal Tiere und behandelt sie nicht wie Sachen, die man sammeln kann wie man lustig ist.“
Autsch. Inhaltlich absolut richtig. Gesellschaftlich ist es zwar grundsätzlich akzeptiert Tiere, wenn sie nicht freiwillig bleiben wollen einzusperren – nicht aber fĂĽr meine Freundin. Dass Kinder Schnecken sammeln und mit ihnen spielen, mit vor Angst zitternden Hasen kuscheln oder verschreckte Hamster stolz ihren Freundinnen zeigen ist in Ordnung, solange sie ihnen nicht bewusst wehtun.
Hätte ich die Schnecken nach unserer Rückkehr tot aufgefunden hätte ich wohl gedacht: Mist, die Armen. War echt blöd von mir. Wenn dadurch jedoch eine liebe Freundin verletzt wird führt dies zu tiefem Bedauern und Selbstvorwürfen. Diesen besagten Abend noch weit überdauernd.
Doch ist ein Leben nur etwas Wert, wenn jemand darum trauert? Stirbt ein Mensch der keinen (mehr) hat war sein Leben dann weniger wert? Sollte denn nicht fĂĽr jedes empfindsame Leben gelten dass es deshalb etwas wert ist weil es IST. Ob Schnecke, Hund, Schwein oder Kuh?
Meine Tochter wird ab sofort Tiere nicht mehr als Spielzeug behandeln. Auf die ungefragte Belehrung meiner Freundin reagierte ich per handgeschriebenem Brief (dritte Version): „Es steht mir nicht zu andere zu belehren. Bitte erlaube mir jedoch in reinstem Wohlwollen eine Erfahrung mit dir zu teilen: Erst einmal zugestellte Worte picken. Sie können nicht zurĂĽckgenommen werden. Jegliche Beschwichtigung geht weitgehend ins Leere. Sie können FĂĽsse bekommen und jederzeit wieder hervor geholt werden um nochmals zuzustechen. Hingegen ist Papier unendlich geduldig und emotional belastbar. Erst wenn es dem Leser zugänglich wird entfaltet es Wirkung.“
© Seelenschreiberling 2020-07-08