von Fanny Fitzka
Ich sitze am Schreibtisch und beantworte Mails. Zu meinen Füßen schlummert meine treue Weggefährtin Rosa, eine Rauhaardackel-Dame. Während ich so in die Tasten haue, riecht es plötzlich nach verbranntem Toast. Aus dem Nichts. Einfach so. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass das Gehirn sich den Geruch von verkokeltem Weißbrot einbilden kann. Phantosmie nennt sich das. Passiert kurz vor dem Hopsgehen.
„Na super, das war’s jetzt also. Klappe zu Affe tot. Dabei bin ich doch noch viel zu jung zum Sterben!“, denke ich panisch. Und dann auch noch so ein belangloser Tod, an einem belanglosen Mittwochnachmittag beim Schreiben einer belanglosen E-Mail. So gewöhnlich habe ich mir meinen Abgang ehrlich gesagt nicht vorgestellt. Eher beim Eisklettern in Südpatagonien, auf der Suche nach dem verlorenen Kirchenschatz von Lima, durch ein herabfallendes Musikinstrument oder von mir aus auch während einer (zu) wilden Nacht mit George Clooney. Ein lautes Hämmern an der Tür reißt mich aus meinen Gedanken. „Verdammt, da ist er schon der Sensenmann!“, fluche ich und fange an zu schwitzen. “Ich wollte doch noch so viel erleben.”, schluchze ich innerlich während ich zitternd zur Tür haste. Ich hole tief Luft – Kindheit, Schule, erste Liebe, Reisen, Freunde, Familie – mein ganzes Leben zieht wie ein Film an meinem geistigen Auge vorbei. “Nein! Das kann es noch nicht gewesen sein. So leicht bekommt er mich nicht, nicht ohne einen anständigen Kampf!“ flüstere ich entschlossen zu mir selbst. Ich gehe in Kampfstellung und reiße die Tür auf.
Vor mir steht meine Nachbarin von oben. Sichtlich erschrocken. Hätte wohl nicht damit gerechnet, dass bei Top 8 Muhammad Ali wohnt. Verlegen entschuldigt sie sich für den Gestank im Stiegenhaus und nuschelt irgendetwas von einer neuen Brotbackmaschine. Aha soso, doch keine Phantosmie, doch kein Toast des Todes.
Die Tür fällt ins Schloss und ich lehne mich leicht erschöpft mit dem Rücken dagegen. Mein Herz klopft mir bis zum Hals. Das war haarscharf. Gerade noch einmal dem Tod entkommen, so eine zweite Chance bekommt nicht jeder. „Hallo du süßes Leben!“, schreie ich wie eine Bekloppte und drücke Rosa, die verwundert aus dem Arbeitszimmer getapst kommt, einen Kuss auf ihre kleine pelzige Stirn. Ich renne zum Schreibtisch und schlage den Laptop zu (im Ring wäre das sicherlich ein k.o. in der ersten Runde gewesen). Dann schnappe ich Rosa und mache, dass ich rauskomme. Auf in die Sonne, auf in das Abenteuer, auf in das Leben.
Da fällt mir ein, hat mir nicht irgendwer erzählt, dass George Clooney für einen Filmdreh in der Stadt ist?
© Fanny Fitzka 2021-03-31