von Ireilas
Der Hofjäger war ein netter Kerl. Bisschen naiv und verfressen. Aber ein netter Kerl. Eigentlich. Aber Botengänge machte er nicht gerne – das stand nämlich nicht in der Stellenbeschreibung. Und trotzdem verwechselte die Königin (Deckname Carola) gerne Jäger und Hermes. Aber dieser Botengang war anders! Dieses Mal ging es um die Wurst, äh, Katze. Ihre Majestät erklärte ihm, dass er ein wichtiges Paket aus der Stadt in den tiefen, dunklen Wald zu bringen hatte und dort mit dem Gewehr zu durchsieben. Was …
Ok, nochmal: Sie erklärte ihm, dass er eine überaus wichtige Mission hatte, in der es darum ging, die Büchse der Pandora abseits jeder Zivilisation zu bringen und- naah, das wird nicht besser.
Jedenfalls überreichte ihm Carola feierlich unter der Brücke den Schuhkarton, welchen sie zuvor fünfmal mit Panzertape umwickelt hatte. Und was auch immer geschehen mag: Er durfte die Schachtel keinesfalls unter gar keinen Umständen jemals öffnen! (Denn die Niedlichkeit von Schneekätzchen würde ihn sofort beeinflussen – das erzählte sie ihm aber nicht.) So ging der Jäger los, mit dem kleinen Schuhkarton unter seinem Arm. Unterwegs grüßten ihn so einige Wachen, Bäcker, Müller, Händler und andere mittelaltermärchen angehauchte Bürger. Nach einer kleinen Weile bewegte sich der Inhalt des Kartons – und schließlich, kurz nach dem Verlassen der Stadt, begann Schneekätzchen zu miauen.
Schrecklich viel zu miauen. „Mau. Mau. Mau. Mau. Mau. Mau. Mau. Mau. Mew. Mew. Mew. Mew. Mew. Mew. Mew. Miau. Miau. Miau. Miau. Miau. Miau. Miauuu. Miaaaauuuu … Miaauu …“
Allmählich wurde dem Jäger bewusst, dass sich in dem Schuhkarton eine Katze befinden musste. Aber ganz sicher war er sich dabei nicht.
„Maaauuu… maaauuu… maauuu… Mau. Mau! MIIAAUUU! Maauu… Mau. Mau. Mau? Meeww. Meeheeww! …Miu?“
Knapp vor dem Wald war er sich schon fast sicher.
„Miää. Miääüü. Miiöö?“
Dann wieder eher nicht.
Doch als plötzlich zwei kleine, spitze Zähnchen den Karton perforierten und nach draußen drangen, war er sich sicher: Er transportierte eine Vampir-Fledermaus! Aus dem Schock heraus ließ der Jäger die Schachtel fallen – zum Glück landete diese im weichen Laub des inzwischen erreichten Waldes. Da begann sich die Schachtel zu rütteln und zu schütteln. Sollte er sie öffnen? Er tat es. Aus der bloßen Neugier heraus.
Als er Schneekätzchen erblickte, machte sein Herz einen kleinen Sprung: So ein süßes Wattebällchen auf vier Pfoten hatte er noch nie gesehen! Es war derart süß, dass seine Augen begannen zu Tränen. Das Kätzchen erschießen? Das kam für den Hofjäger nicht infrage! Und so ließ er es laufen. Hier, im tiefen, dunklen Wald. Wie gesagt, er war ein netter Kerl – wenn auch nicht gerade helle.
© Ireilas 2024-05-05