von Susanne Wagner
„Ein Mann beobachtete einen Schmetterling und sah, wie sehr sich dieser anstrengte, durch das enge Loch aus dem Kokon zu schlüpfen. Stundenlang kämpfte der Schmetterling, um sich daraus zu befreien. Nach einer ganzen Weile schien es so, als hätte der Schmetterling aufgegeben, denn das Loch blieb die ganze Zeit zu klein. Da beschloss der Mann dem Schmetterling zu helfen. Er nahm ein Taschenmesser und öffnete den Kokon. Sofort kam der Schmetterling heraus. Sein Körper war jedoch mager und schlaff, seine Flügel wenig entwickelt und sie bewegten sich kaum. Der Schmetterling der da entschlüpfte, war ein Krüppel. Der Mann erzählte einem befreundeten Experten davon. Der Freund antwortete ihm: „Das war das Schlimmste was du tun konntest. Denn durch die enge Öffnung, ist der Schmetterling gezwungen, sich hindurchzuzwängen. Erst dadurch werden seine Flügel aus dem Körper gepresst und können sich entwickeln. Und deshalb kann er richtig fliegen, wenn er es aus seinem Kokon geschafft hat.“ Der Mann wurde nachdenklich. „Weil du ihm geholfen hast und den Schmerz ersparen wolltest, hast du ihm zwar kurzfristig geholfen, aber langfristig zum Krüppel gemacht.“ (Autor unbekannt)
Jeder von uns hat Hindernisse im Leben, denen er ausweichen muss. Und manchmal wollen wir auch unsere Lieben vor so mancher Hürde schützen. Aber zum Leben gehört auch Schmerz zu ertragen und einen Hindernisparcours zu überwinden. Denn genau diese Widerstände sind es, die uns wachsen lassen, uns stärker und robuster machen – resilient werden lassen. Kinder beobachten uns jetzt ganz genau und lernen. Sie lernen für ihr späteres Leben und unseren Umgang mit Widerständen.
Viele von uns machen sich große Sorgen um die Zukunft. Sich Gedanken machen, sind notwendige Strategien. Machen wir uns aber nur mehr Sorgen und sind ängstlich, stressen wir uns zunehmend. Unser Cortisolspiegel steigt permanent und das führt zu einer Art Dauererregung. Kopfschmerzen, Herzrasen, schlechter Schlaf, eine Schwächung des Immunsystems sind die Folgen.
Unsere Angst lebt von Kontrollverlust. Wir können derzeit nicht alles kontrollieren, aber machbare Schritte planen. Ich kann nicht kontrollieren, wie viele Menschen im Ausland festsitzen und nicht heimkommen, aber ich kann kontrollieren, was ich tue und auf mich achten. Auch wenn wir draußen nicht nach Lust und Laune herumlaufen können, uns mit Freunden treffen und dabei ein gutes Glaserl Wein trinken, wir sind nicht eingesperrt. Wir dürfen raus, wir sehen andere und können ihnen ein Lächeln schenken und dann heben wir die Kinder auf unsere Schultern, sehen hinauf und bemerken, dass der Himmel eigentlich doch blauer ist als sonst.
P.S.: Gestern bin ich bei „Unsere kleine Farm“ hängengeblieben. Meine Lieblingsserie als Kind. Unaufgeregt, nett erzählt, Geschichten aus dem Leben – Familien, die alle noch so furchtbaren Krisen gemeinsam meistern. Nach fünf Folgen lächelt man und hat irgendwie das Gefühl – alles wird gut.
© Susanne Wagner 2020-04-04