von Tiefenentspannt8
26.12.1992 10:00 Uhr.
Ich bin 10Jahre alt, in diesem Moment sehr glücklich. Meine älteren Geschwister sind über Weihnachten auf Besuch, die gesamte Familie ist beisammen und Harmonie sowie Weihrauch liegt in der Luft. Mein treuer Freund namens Game Boy begleitet mich ebenfalls durch die Ferien.
Ich sitze im Wohnzimmer, spiele mit meinem treuen Freund das neueste Game welches ich zu Weihnachten geschenkt bekommen habe, als mein Vater zu mir kommt und mich fragt ob ich mit ihm mitfahren will um Bernhard zu suchen. Bernhard ist 23Jahre alt, mein älterer Bruder, väterlicher Freund und Idol zugleich. – Er hat mir gute Nacht Geschichten vorgelesen, wir waren oft gemeinsam im Schwimmbad oder auf der Skipiste unterwegs. Er hat mich oft zu seinen Freunden von der Jugendfeuerwehr mitgenommen oder auf wilde Ausfahrten mit seinem VW Käfer. Schon sehr frĂĽh nahm er mich unter seine Fittiche. Ich fĂĽhlte mich stets sehr wohl in seiner Gegenwart. Ein manchmal strenger aber immer sehr warmherziger Lehrmeister und Freund. So habe ich ihn als wahrgenommen – Er hat am Abend des Vortages das Haus verlassen um einen Ball zu besuchen, ist aber bis jetzt (10:00 Uhr) noch nicht nach Hause gekommen und hätte eigentlich schon Skilehrern sollen mit der Kindergruppe. Das kam schon öfters vor, nichts besonderes eigentlich. Aber an diesem Morgen liegt nicht nur der Weihrauch vom Vorabend in der Luft, es ist irgendetwas sonderbares zu spĂĽren.
Ich begleite also meinen Vater auf der RĂĽckbank sitzend, um die Suche anzutreten. Wir fahren zum örtlichen Feuerwehrhaus, wo er leidenschaftliches, aktives Mitglied ist sowie einen SchlĂĽssel hat und manchmal nach dem Fortgehen noch das ein oder andere Bier zwitschert, bevor er nach Hause geht. Er ist generell sehr nachdenklich in letzter Zeit, ist mir aufgefallen. Manchmal sah ich ihn kettenrauchend mit einer Flasche Bier in der Hand im Dachboden……allein…. vor sich hin grĂĽbelnd.
Am Parkplatz, direkt vor dem Eingang der örtlichen Feuerwehr steigt mein Vater aus dem Auto, dreht sich zu mir um und sagt: „ich bin gleich wieder da, warte inzwischen“. Also warte ich und vertreibe mir die Zeit mit dem Game Boy. Als Terminator bin ich in einer dĂĽsteren Zukunft unterwegs und ballere auf alles mögliche was sich auf dem kleinen Monitor bewegt, als mein Vater plötzlich wieder in den Wagen steigt.
Ich frage ihn: „Wo ist Bernhard?“
Er entgegnete mir mit leiser, gebrochener Stimme : „Bernhard ist tot“
Bernhard hat sich an diesem 26.12.1992 in den frĂĽhen Morgenstunden mit einem Feuerwehrschlauch stranguliert, sich sein junges Leben genommen.
Manchmal besuche ich ihn am Friedhof und danke ihm fĂĽr alles was er mir in meinen jungen Jahren mitgegeben hat, und heute noch mitgibt. Ich danke Meinem Bruder, meinem väterlichen Freund, meinem Lehrmeister , meinem Idol…….
#joecocker – withalittlehelpfrommyfriends
© Tiefenentspannt8 2019-08-21