von Ulrima
“”Mama, ich liebe dich mehr, als jeden Zahn, der mir ausfällt.“
Wow. Mit so einem Satz geweckt zu werden, das ist wirklich unbeschreiblich schön. Nicht nur, dass so ein Satz, gesprochen aus einem Kindermund direkt aus dem Herzen dich mitten in deines trifft. Nicht nur, dass er dich mit Liebe erfüllt und durch den restlichen Tag begleitet. Für mich bedeutete dieser Satz noch viel, viel mehr.
Denn ihr müsst wissen, der kleine Mann, hat gestern seinen Zahn verloren. Nein, ich meine nicht ausgefallen – verloren, ich meine so richtig verloren. Um ehrlich zu sein, habe ICH seinen Zahn verloren. Unauffindbar, unwiederbringlich verloren. Einen heiligen ausgefallenen Wackelzahn, welcher eigentlich fein säuberlich in der Piraten-Wackelzahnbox liegen sollte.
Das kleine Zähnchen, mir anvertraut, wird seinen Weg dorthin niemals finden. Zum Säubern in den Topf in kochendes Wasser gelegt, dann, … ja was ist dann passiert? Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht. Ihr kennt das sicher. Wie oft im Alltag mit kleinen Kindern werden eure Tätigkeiten oder Handlungen durch etwas anderes unterbrochen? Etwas, das vielleicht in dem Moment auch eure volle Aufmerksamkeit fordert und schwuppdiwupp läuft der Tag weiter.
Abends werde ich nach dem kleinen Milchzähnchen gefragt und oh Gott, da dämmert mir, dass ich nie vollendet, was ich angefangen habe. Die Suche nach dem guten Stück ist natürlich auch nicht erfolgreich und es folgt große Enttäuschung und viele, viele Tränen. Schuldbewusst entschuldige mich, umarme, tröste und begleite meinen Sohn in seiner Traurigkeit um den Verlust. Ich verspreche, in Zukunft achtsam zu sein und verantwortungsbewusst mit seinen mir anvertrauten Dingen umzugehen. Nachdem der erste Schock überwunden ist, versuchen wir gemeinsam herauszufinden, wo der Zahn gelandet sein könnte. Wir finden die lustigsten und skurrilsten Geschichten. Die Idee, dass wir ihn wohlmöglich mitgekocht haben und er jetzt in Mamas Bauch gelandet sein könnte gefällt ihm am besten. Außerdem verspreche ich, noch heute Abend ein kleines Plastilin Zähnchen zu formen, dass er dann als Ersatz in seine Zahnbox legen kann. Bevor er beruhigt einschläft, murmelt er noch: “Mama, ich verzeihe dir.”
Während ich das Mini-Zahn-Modell forme, erinnere ich mich an seinen Satz vor dem Schlafengehen. Er verzeiht mir. Verzeihe ich mir auch? Das Feld des sich Vorwürfemachens, des sich Selbstverurteilens als Elternteil ist wirklich riesengroß. Es ist fast unumgänglich nicht in Situationen zu kommen, die Selbstvorwürfe und Schuldgefühle mit sich bringen, auch wenn man ganz bewusst sein Bestes gibt.
Doch auch wenn es mir von Herzen leid tut, so unachtsam gewesen zu sein, darf ich so liebevoll zu mir selbst sein und mir dieses Missgeschick verzeihen. Ich möchte meinem Kind nicht vorleben, sich selbst zu verurteilen und in Schuld zu leben. Es ist so viel einfacher, diese in Liebe gesprochenen Sätze unserer Kinder anzunehmen, wenn wir sie auch selbst glauben.
© Ulrima 2021-03-30