Der verschwundene Junge

Jennifer Kall

von Jennifer Kall

Story

Die Gestalt, die vor Anna und Clara auftauchte, war von einer unheimlichen Aura umgeben. Es war schwer zu erkennen, ob es sich um eine menschliche Figur oder ein Trugbild handelte, denn der Nebel verhĂĽllte ihre Konturen. Das FlĂĽstern verstärkte sich, und die Mädchen fĂĽhlten sich, als wären sie in einen hypnotischen Zustand versetzt. „Wir sollten weg von hier!“, rief Anna, während sie sich umdrehte und in die entgegengesetzte Richtung lief. Clara folgte ihr hastig, ihre Beine schienen wie angewurzelt, und das GefĂĽhl der Panik trieb sie voran. Die beiden rannten durch das Moor, das sich unter ihren FĂĽĂźen bewegte, als wĂĽrde es versuchen, sie festzuhalten. Der Nebel schien sich um sie zu verdichten, als sie weiter in die Dunkelheit eintauchten. Das FlĂĽstern verwandelte sich in ein Drängen, ein Drang, den sie nicht ignorieren konnten. „Halt an!“, rief Clara plötzlich und blieb stehen. „Ich habe etwas gefunden!“ Anna drehte sich um und sah, dass Clara auf einen kleinen HĂĽgel deutete, der von hohen Gräsern umgeben war. Auf der Spitze des HĂĽgels lag ein verrostetes Spielzeug – ein kleines Holzpferdchen. „Das gehört zu Samuel“, flĂĽsterte Clara, ihre Stimme war voller Entsetzen. „Er war der Junge, der vor Jahren verschwunden ist!“ „Wie weiĂźt du das?“, fragte Anna, während sie näher trat. „Ich habe die Geschichten gehört. Die Dorfbewohner haben gesagt, dass Samuel immer mit diesem Pferdchen gespielt hat. Das kann nicht Zufall sein!“ Sie knieten sich nieder, und Clara griff vorsichtig nach dem Spielzeug. Als sie es berĂĽhrte, spĂĽrte Anna eine plötzliche Kälte, die ihre Glieder durchzog. Ein Bild erschien in ihrem Kopf – ein Junge, der lachend durch das Moor rannte, dann plötzlich stehen blieb, als das FlĂĽstern ihn rief. „Wir mĂĽssen ihm helfen“, sagte Clara entschlossen. „Wir mĂĽssen herausfinden, was mit ihm passiert ist“. Anna nickte, obwohl ihr das Herz schwer im Magen lag. „Aber wie“? „Wir wissen nicht einmal, wo wir anfangen sollen“. Clara sah sich um, als wĂĽrde sie nach einem Zeichen suchen. „Vielleicht mĂĽssen wir zurĂĽck zum Schrein“. „Wenn die Legenden stimmen, können wir dort etwas ĂĽber ihn erfahren“. Mit einem entschlossenen Nicken machte sich Anna bereit, während das FlĂĽstern in der Ferne wieder zu einem sanften Rufen wurde. Es war, als wĂĽrde es sie zu dem Ort ziehen, an dem die Antworten lagen. Zusammen machten sie sich auf den Weg zurĂĽck, das Spielzeug sicher in Claras Hand.

© Jennifer Kall 2024-11-07

Genres
Spannung & Horror
Stimmung
Abenteuerlich, Dunkel, Mysteriös