von Hermann Karosser
Hultsfred ist ein Ort mit 5.000 Einwohnern in SmĂ„land. Auf unserer Reise durch SĂŒdschweden und DĂ€nemark wollten wir uns ein wenig dort umschauen, wo Astrid Lindgren lebte, genauso wie die meisten ihrer Romanfiguren: BullerbĂŒ, Lönneberga, Mariannelund, Kathult und natĂŒrlich Vimmerby. Ăberall dort hatten wir keine Unterkunft gefunden, aber im 25 Autominuten entfernten Hultsfred gab es laut Booking.com ein âPalace Hotellâ mit noch freien KapazitĂ€ten. – Ins Deutsche ĂŒbersetzt bedeutet der Ortsname Hultsfred âWaldfriedenâ. âNomen est Omenâ dachten wir, als wir nach langer Fahrt durch die wunderschönen WĂ€lder SĂŒdschwedens das Ortsschild erreichten. Wie eine ĂŒbergroĂe Lichtung lag es nun vor uns, offensichtlich ein âverschlafenes Nestâ mit einem Hotel mit groĂem Namen. – Wir hatten zwei Ăbernachtungen vorgebucht, aber schon beim ersten Kontakt bot uns der Chef des Hauses groĂzĂŒgig an: âWenn ihr die zweite Nacht stornieren wollt, ist das kein Problem. Es entstehen euch keine Kostenâ. Wir hatten ihn zuvor gefragt, was man denn in 1 œ Tagen Aufenthalt in Hultsfred so unternehmen könne.
Ăberhaupt dieser Chef: Beim Abendessen, als wir uns beide ein zweites Glas Wein bestellten, kam er mit einer ganzen Flasche an. âGeht aufâs Hausâ, bemerkte er groĂzĂŒgig und was folgte, war ein langes, interessantes und unterhaltsames GesprĂ€ch, an dessen Ende wir Christians Lebensgeschichte ebenso en Detail erfahren hatten, wie alles zum Palace Hotell und zum schönen Ort Hultsfred. â Er stammt aus Göteborg, âGothenburgâ wie er es landestypisch nennt und hat das HotelgeschĂ€ft von der Pike auf gelernt. Vor 10 Jahren war er schonmal in Hultsfred und hatte sich lustig darĂŒber gemacht, dass es hier ein âPalace Hotellâ gibt. Vor 3 Jahren, als er sich zusammen mit seinem Mann Robert selbststĂ€ndig machen wollte, stand genau dieses Etablissement zum Kauf. Sie âschlugen zuâ, renovierten aufwĂ€ndig und eröffneten mit Christian als GeschĂ€ftsfĂŒhrer und Robert als Chefkoch im Restaurant. Man merkt dem Haus natĂŒrlich an, dass es schon viele Jahre âauf dem Buckelâ hat und muss hier und dort auch Kompromisse eingehen, wie zum Beispiel die KuriositĂ€t, dass der Lichtschalter fĂŒrs Bad auf dem Gang zu finden ist, aber man ist schnell versöhnt, wenn man die vielen wohldurchdachten Details der Ausstattung wahrnimmt, von kunstvoll bestickten BademĂ€nteln und -tĂŒchern ĂŒber romantische Beleuchtungskörper bis hin zur geschmackvollen Bildauswahl fĂŒr die stilvoll tapezierten WĂ€nde.
Irgendwann an diesem ersten Abend kamen wir auf meine Leidenschaft fĂŒr die Eisenbahn zu sprechen. âWir haben in Hultsfred jetzt Draisinen. Morgen wird die alte Schmalspurbahnstrecke dafĂŒr freigegebenâ. â Beinahe als die ersten Nutzer fuhren wir am nĂ€chsten Morgen tatsĂ€chlich mitten durch die schier endlosen WĂ€lder SĂŒdschwedens und entlang des Hulingen Sees von Hultsfred nach Ădhult, in einem GefĂ€hrt wie ein Fahrrad mit Beiwagen aus Eisen und Holz. Zur RĂŒckfahrt auf der eingleisigen Strecke mussten wir es aus den Schienen heben – genauso ĂŒbrigens wie bei Gegenverkehr – und umgekehrt wieder einsetzen.
Wir fĂŒhlten uns so wohl âim Waldfriedenâ und dachten gar nicht daran zu stornieren, eher ans VerlĂ€ngern.
© Hermann Karosser 2023-07-07