Der Weg zu ihm.

Hanna Stolle

von Hanna Stolle

Story

Noch ein bisschen müde lehne ich meinen Kopf an die Scheibe und genieße die ersten Sonnenstrahlen des Tages. Manchmal muss ich die Augen kurz schließen, weil mich einzelne Strahlen so sehr blenden.

Schade, dass die Scheiben des Zuges nicht sauberer sind, dann könnte ich wohl noch mehr sehen. Vielleicht ein paar Rehe oder den Morgentau auf den Spitzen der Grasbüschel. In dieser Ruhe überlege ich mir, wie ich gleich möglichst schnell vom Gleis zur S-Bahn laufe, Slalom um alte Damen mit Handwagen auf dem Weg zum Markt und Backpacker mit riesigen Gepäckstücken. Vorbei an Paaren, die in ihren ersten gemeinsamen Urlaub starten und Menschen, die gerade von der Nachtschicht kommen.

Wir haben 3 Minuten Verspätung, also habe ich gerade mal eine Minute um die zwei Etagen hinunter zum S-Bahn Gleis zu laufen. Am besten ganz nach vorne durch, dann ist der Weg beim Aussteigen nicht so weit… der Weg zu seinem Bett nicht so weit.

Ich freue mich jetzt schon auf die Übergroßen Pullover die in seinem Schrank nur auf mich warten, ihm sind sie jetzt schon fast zu warm obwohl wir erst März haben. Wahrscheinlich zieht er heute schon eine kurze Hose an, wenn wir an den Fluss fahren und Fischbrötchen essen. Die Leute gucken dann immer blöd, weil es eben erst März ist aber ich mag es, weil man dann seine Tattoos sieht und er sich sichtlich wohler fühlt als in langen Jeans.

Er hat das Bett hoffentlich schon vorgewärmt, auch wenn er noch nicht einmal 2 Stunden darin schläft. Er wird nach Schnaps und Zigaretten riechen und fürchterlich schnarchen und ich werde im Bett neben Ihm diese Geschichte schreiben.

Der Weg zu ihm ist immer voller Gedanken und Eindrücke. Es ist der Weg von der Kleinstadt in die Großstadt, der Weg von Einsamkeit zur Zweisamkeit, der Weg von Kälte zu wohliger Wärme, der Weg von Ruhe zu Lärm, zu so viel gutem Lärm.

© Hanna Stolle 2022-03-19

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