Der weinende Clown

Angelika Bichert

von Angelika Bichert

Story

Du lebst. Aber was heißt leben? Eine Hülle, die sich Körper nennt und in der ein Herz schlägt? Ich spüre meinen Herzschlag, manchmal sogar so sehr, dass ich denke, ich würde gleich sterben. Weil Panik und Angst sich breit macht. Woher diese Gefühle? Ich denke, ich bin psychisch krank, schwer sogar. Bei mir wurde das Borderline-Syndrom, eine schwere Depression, eine komplexe PTBS, Essstörung und dissoziative Störung festgestellt. Damit sollte das, was ich fühle einen Namen bekommen. Dennoch könnte nichts das Leiden und den Kampf, den ich tagtäglich führe, beschreiben. Den letztendlich lässt es sich nicht an einem Röntgenbild festmachen, mein Leiden ist unsichtbar. Zumindest für andere. Denn ich bin ein Meister darin mein eingeübtes Lächeln aufzusetzen und so zu wirken als würde ich funktionieren. Dann merkt es zumindest keiner. Vorteil oder Nachteil? Na ja, einen Knochenbruch kann man nicht verstecken. Ich schlafe, ich träume. Schreckliche Szenarien, Alpträume sagen sie, die mich verfolgen in der Nacht und wenn ich erwache, sind sie immer noch da. So beginnt mein Tag. Sie vereinnahmen mich, sie lassen mich nicht los. Denn in meinen Träumen werde ich gequält und finde im Schlaf vor mir selbst keine Ruhe. Ich frage mich Vorteil oder Nachteil? Immerhin merken sie es nicht. Die Leere, die Scham, den Ekel vor mir selbst. Den Selbsthass. Sie fühlen es nicht, also wie sollen sie mich verstehen? Verstanden zu werden. Vielleicht wäre es einfacher, wenn mein Leiden sichtbar wäre? Wenn ich es im Blutbild oder EKG sehen könnte. Wenn sie es sehen könnten. Vielleicht, ja vielleicht, wäre Verständnis dann einfacher. Aber Gedanken und Gefühle sind nicht zu ertasten und somit bleibt es ein verstecktes Leiden, ein Leiden, dass nur ich kenne, spüre, sehe. Zwischen am Leben bleiben und nicht leben wollen, so nicht leben wollen und keinen Ausweg finden. Zwischen Tiefen Emotionen und Verlust der Selbstkontrolle. Es lebt ein Monster in mir, dass mich beherrscht und mich täglich quält. Ja, so fühlt es sich an. Mein Peiniger lässt mich nie los, quält mich und drängt mich in den Suizid, wenn er flüstert: ,,Du bist wertlos. Du verdienst keine Liebe. Bring dich um.“ Diese Stimmen sind mein tagtäglicher Begleiter. Mittlerweile schenke ich ihnen kaum noch Beachtung. Sie sind ein Teil von mir. Das sind sie schon seit 10 Jahren und ich habe es noch nicht geschafft mich von ihnen zu trennen. Sie sagen viele böse Dinge zu mir und das Monster bestätigt dies nur, indem es meine Wertlosigkeit immer wieder herauskristallisiert. Wertlos, keine Liebe verdienend, schuldig, abartig, ekelhaft. Flüstern die Stimmen leise. Und dann ist da noch der Schmerz. Der Schmerz ist das schlimmste, er nimmt mich aus, zerstückelt mich und macht mich lebensmüde. Er kommt und geht. Ich kann es nicht bestimmen oder kontrollieren. Er kommt, wann er will und geht, wann er will. Wenn er kommt dann mit einer Wucht, die mir buchstäblich das Leben nimmt. Woher er kommt? Ich weiß es nicht. Trauma nennt es mein Psychiater. Habe es abgespalten. Leben fällt schwer, Leben ist so nicht schön und dennoch lebe ich. Irgendwie, aber irgendwie auch nicht. Denn ich bin nur eine Hülle, die sich Körper nennt mit einem Herzen, dessen Puls ich spüre. Ob ich mir manchmal wünsche, man könnte meine Krankheit sehen? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Denn das Monster in mir wird mit einem antrainierten Lächeln versteckt und somit bleibt es nur für mich echt.

© Angelika Bichert 2023-05-22

Genres
Romane & Erzählungen, Biografien
Stimmung
Herausfordernd, Dunkel, Emotional, Traurig
Hashtags