von Nico Brunnbauer
Manchmal, da fühle ich mich wie ein Wurm.
Daran ist nichts Schlechtes, Würmer sind sehr nützlich und grundsätzlich friedliche Wesen, aber ihr wisst schon… Wer findet schon gerne ein Loch im Apfel? Wer sieht Würmer schon gerne den Asphalt entlang Kriechen, nachdem der Regen sie aus ihren Behausungen gelockt hat?
Sie besitzen keine Augen, keine Ohren, keine Lungen, nichts Menschliches – rein gar nichts.
Der Wurm ist ein ekliges, wirbelloses Tier. Ich finde mich manchmal eklig. Wenn ich lauthals darüber lache, dass meine Nachbarin über einen Kieselstein stolpert und auf die Fresse fällt. Oder jedes Mal, wenn ich zu tief ins Glas schaue und danach literweise kotzen muss. Literweise.
Würmer leben auch in uns. Sie nisten sich in unseren Bäuchen ein, sie schlagen ganz unverschämt ihre Zelte in unseren Gedärmen auf und wollen ein Teil von uns werden, ein schnorrendes Glied in dieser cleveren Maschinerie: Der Körper, von Kopf bis Fuß.
Gibt man mir die Gelegenheit, eines dieser Dinger mit meiner Schuhsohle zu zertreten, dann mache ich es – ob absichtlich oder ganz ungewollt.
„Die können ja sowieso nichts fühlen!“
Manchmal, da fühle ich auch überhaupt nichts. Dazu brauche ich mir nicht in den Arm mit einem Steakmesser zu ritzen, ein Henker könnte mich mit der Axt von der Wirbelsäule abwärts in zwei Hälften schneiden… dann gäbe es mich eben zweimal!
Würmer sind überall. Im Mehl, im Meer, im tiefen Dschungel. Mich manchmal wie ein Wurm zu fühlen heißt, eine Belastung für meine Mitmenschen zu sein, etwas Minderwertiges, das dazugehören will. Dabei sind wir alle – verbunden. Uns verbinden die Würmer.
Wenn es in unseren Köpfen regnet, suchen wir nach Verbündeten, wir wollen leben. Genüsslich, ganzherzlich, unverwechselbar menschlich.
In Zeiten wie diesen muss man doch zusammenhalten. In Zeiten wie diesen, da frage ich mich, warum ein Wurm wie ich, die wichtigste Lektion im Leben noch nicht gelernt hat:
Der Wille zum Leben ist immer substantiell.
Für den Mensch gleichermaßen, wie für die Würmer, die allgegenwärtig sind.
Ob im Igel, im Lachs oder im motherfucking Erdkern. Manchmal, da fühle ich mich nicht nur wie ein Wurm, da bin ich auch einer. Aber Kopf hoch, liebe Mitmenschen und Mitwürmer – minderwertig ist da gar nichts dran. Ich bin nützlich, friedlich, ich will leben… mit euch, in euch und für alle Zeit.
© Nico Brunnbauer 2021-07-05